Universität Wien

230122 SE Moderne Subjekte und die Frage nach der Identität (2023W)

Soziologische Zugänge zum Verhältnis von Körper, Leib und Geschlecht

6.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 23 - Soziologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 27 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

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Update 23.01.2024: freiwilliger Zusatztermin am 30.01.2024 in SR 2 ab 11:30

Dienstag 10.10. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 17.10. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 24.10. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 31.10. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 07.11. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 14.11. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 21.11. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 28.11. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 05.12. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 12.12. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 09.01. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 16.01. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 23.01. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 30.01. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 2, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Dienstag 30.01. 13:15 - 14:45 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die Subjekte in der modernen Gesellschaft können ontogenetisch die Kompetenz erwerben, von der mythisch-religiösen Subjektlogik zur säkularen Prozesslogik zu wechseln. Sie können deshalb auch – geschichtlich neuartig – ein säkulares, von religiösen und metaphysischen Verstrickungen emanzipiertes Identitätsverständnis ausbilden. Mit ihm geht die Aufwertung des Körpers sowie einer körperbewussten Lebenspraxis einher. Denn im Verständnis der säkularen Prozesslogik kann der Körper mit seinen pluralen Lüsten, Begierden und Affekten, aber auch in seiner Verletzbarkeit und Vergänglichkeit nicht mehr als moralisch minderwertiges Medium unserer geistigen Existenz begriffen werden. Vielmehr stellt er die funktional notwendige Basis unserer soziokulturellen, über Sinn organisierten Lebensweise dar.

Die Entstehung eines säkularen Selbstverständnisses kann zwar verständlich machen, weshalb der Körper im Denken der modernen Subjekte eine geschichtlich neuartige Aufwertung erfahren hat. Aber die Frage, wie sich das Verhältnis zum Körper im Prozess ontogenetischer Subjektbildung bildet und wie es sich unter den – weiterhin – schicht- und geschlechtsspezifisch differierenden Bedingungen moderner Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung praktisch ausformt, ist damit noch nicht geklärt. Dies gilt auch für die Frage, ob es Formen einer gelingenden oder weniger gelingenden Formierung von Körperverhältnissen gibt und was unter ihrer selbstbestimmten Kultivierung zu verstehen wäre. Dass wir an unserem sozialisatorisch geformten und genormten Selbstbild sowie einer vielschichtig somatisierten Subjektivität nicht nur zweifeln, sondern verzweifeln können – darauf hat der Soziologe Pierre Bourdieu mit dem Begriff des „odium fati“ hingewiesen. Nicht beantwortet hat er allerdings die Frage, ob und wie es den Subjekten in der Moderne gelingen kann, sich von den selbstlimitierenden Determinationen sozialisatorisch generierter und psychosomatisch integrierter Habitusformationen nicht nur kognitiv zu distanzieren, sondern sich in der gelebten Praxis von ihnen zu emanzipieren.

Das Ziel dieses Seminares ist ein Mehrfaches. Zum einen gilt es, auf theoretischer Ebene das Verhältnis zwischen Subjektivität und Körper zu klären. Um sich dabei nicht in die empirisch folgenreichen Paradoxien eines absolutistischen Konstruktivismus zu verstricken, wird es erforderlich sein, epistemologisch zu klären, weshalb die Subjekte in der Moderne nicht nur glauben oder meinen, sondern wissen können, dass sie – von Beginn ihres Lebens an – einen Körper haben (und Leib sind) und dieser die Basis ihres ontogenetischen Subjektbildungsprozesses ist. Neben der Auseinandersetzung mit subjekt- und körpersoziologisch relevanten Theorien (Elias, Bourdieu, Freud, Lacan u.a.) soll die Bedeutung und ambivalente Funktion der somatischen Dimension im Kontext moderner Identitätsbildung anhand verschiedener Beispiele erörtert werden. Neben Formen der aktiven und selbstbestimmten Kultivierung diverser körperlicher Praxen (Sport, Fitness, Wandern, Ernährung, Sexualität/Intimität, Tanz u.a.) sollen Erscheinungsformen wie Eßstörungen, selbstverletzendes Handeln, Sucht, Gewalt u.a. in den Blick genommen werden, in denen der eigene (oder der andere) Körper als symbolisches Medium fungiert, um psychisch belastende Identitätskonflikte auszuagieren.

Die Frage, weshalb die Soziologie nicht nur die Natur als Basis menschlicher Gesellschaft, sondern auch die Körper als Basis menschlichen Daseins in ihrer bisherigen Theoriebildung und empirischen Forschung vernachlässigt hat, wird uns schließlich beschäftigen. Sie zu klären, ist im Kontext einer selbstreflexiven Soziologie sowie eine selbstreflexiven Kultur soziologischer Subjekt- und Identitätsbildung geboten, um die tradierten, in Form eines absolutistischen Konstruktivismus gegenwärtig neuartig elaborierten Erkenntnisbarrieren nicht unbemerkt fortzuschreiben.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Gruppenreferate inklusive Handout (1-2 Seiten), kleinere schriftliche Hausübungen (z.B. Exzerpt, Gruppenprotokoll), Lektüre von Seminartexten, Seminararbeit, regelmäßige Anwesenheit und aktives Mitdenken/Mitarbeiten.

Hinweis der SPL Soziologie:
Die Erbringung aller Teilleistungen ist Voraussetzung für eine positive Beurteilung, wenn nicht explizit etwas anderes vermerkt wurde.

Die Verwendung von KI-Tools (z. B. ChatGPT) für die Produktion von Texten ist nur dann erlaubt, wenn dies von der Lehrveranstaltungsleitung ausdrücklich gefordert wird (z. B. für einzelne Arbeitsaufgaben).

Zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis kann die Lehrveranstaltungsleitung ein "Notenrelevantes Gespräch" (Plausibilitätsprüfung) der abgegebenen schriftlichen Arbeit vorsehen, das erfolgreich zu absolvieren ist.

Alle Studierenden, die einen Lehrveranstaltungsplatz erhalten haben, sind zu beurteilen, sofern sie sich nicht zeitgerecht abgemeldet haben oder unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses einen wichtigen Grund für die Nichtdurchführung der Abmeldung glaubhaft machen.
Bei Vorliegen eines solchen Grundes (zB eine längere Erkrankung) kann d* Studierende auch nach Ablauf der Frist von der LV abgemeldet werden.
Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes entscheidet die Lehrveranstaltungsleitung. Der Antrag auf Abmeldung ist unverzüglich zu stellen. Wurde eine Teilleistung erschlichen, d.h. etwa bei einer Prüfung oder einem Test geschummelt, bei einer schriftlichen Arbeit plagiiert oder auch Unterschriften auf Anwesenheitslisten gefälscht, wird die gesamte Lehrveranstaltung als "nicht beurteilt" gewertet und entsprechend erfasst.
Dies uns weitere Bestimmungen finden sie im studienrechtlichen Satzungsteil: https://satzung.univie.ac.at/studienrecht/.

Wenn Sie eine prüfungsimmanente Lehrveranstaltung bereits dreimal negativ absolviert haben und sich für einen vierten Antritt anmelden wollen, kontaktieren Sie bitte die StudienServiceStelle Soziologie (vgl: Zusatzinformation "Dritte Wiederholung bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen" https://soziologie.univie.ac.at/info/pruefungen/#c56313)

Im Zuge der Beurteilung kann eine Plagiatssoftware (Turnitin in Moodle) zur Anwendung kommen.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

AaG= Anteil an Gesamtnote
Gruppenreferat (AaG: 15%),
kleinere schriftliche Arbeiten (AaG: 20%),
Seminararbeit (AaG: 65%),
Anwesenheit und aktives Mitdenken/Mitarbeiten.

Prüfungsstoff

Seminartexte, Seminarvorträge, im Seminar analysierte theoretische und empirische Materialien.

Literatur

Auswahl

• Ahrbeck, Bernd (Hg.), Hyperaktivität. Kulturtheorie, Pädagogik, Therapie.
• Andritzky, Michael/ Thomas Rautenberg, Wir sind nackt und nennen uns Du: Von Licht- und Luftkämpfern. Zur Geschichte der Freikörperkultur.
• Arte, Dick, dicker, fettes Geld. Dokumentarfilm Frankfreich. URL: https://programm.ard.de/TV/arte/dick--dicker--fettes-geld/eid_287242850774777
• Bette, Karl-Heinrich, Risikokörper und Abenteuersport.
• Bourdieu, Pierre, Narzisstische Reflexivität und wissenschaftliche Reflexivität.
• Bourdieu, Pierre, Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft.
• Butler, Judith, Psyche der Macht.
• Dux, Günter, Die Evolution der humanen Lebensform als geistige Lebensform : Handeln - Denken – Sprechen.
• Dux, Günter, Geschlecht und Gesellschaft.
• Elias, Norbert, Der Prozess der Zivilisation. 2 Bände.
• Elias, Norbert, Zivilisierung der Eltern.
• Foucault, Michel, "Nein zum König Sex". Gespräch mit Berhard-Henry Lévy.
• Gugutzer, Robert, Soziologie des Körpers.
• Gugutzer, Robert, Eßstörungen. Der Körper als Identitätsmedium.
• Gugutzer, Robert/Gabriele Klein/Michael Meuser (Hg.), Handbuch Körpersoziologie 1. Grundbegriffe und theoretische Perspektiven
• Habermas, Tilmann, Heisshunger. Historische Bedingungen der Bulimia Nervosa
• Kafka, Franz, Der Hungerkünstler.
• Kaplan, Louise, Die zweite Geburt. Die ersten Lebensjahre des Kindes.
• Kreckel, Marga, Macht der Väter - Krankheit der Söhne.
• Kreisky, Eva, Fitte Wirtschaft und schlanker Staat: das neoliberale Regime über die Bäuche.
• Lacan, Jacques, Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion.
• Largo, Remo H., Babyjahre. Die frühkindliche Entwicklung aus biologischer Sicht.
• Lindemann, Gesa, Die Verkörperung des Sozialen. Theoriekonstruktionen und empirische Forschungsperspektiven.
• Luhmann, Niklas, Die Gesellschaft der Gesellschaft. Bd. 1/2.
• Luhmann, Niklas, Symbiotische Mechanismen.
• Luhmann, Niklas, Wie ist Bewusstsein an Kommunikation beteiligt.
• Mende, Janne, Begründungsmuster weiblicher Genitalverstümmelung. Zur Vermittlung von Kulturrelativismus und Universalismus.
• Piaget, Jean, Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kind.
• Plahl, Silvia, Solo-Sex. Masturbation als Selbstfürsorge.
• Reckwitz, Andreas, Subjektivierung.
• Sayyad, Banafsche/ Sören Krach, Biologisierung des Sozialen: Über die Reproduktion von stereotypen Geschlechtervorstellungen und ‚Rasse‘- Konzepten in den kognitiven Neurowissenschaften
• Schimank, Uwe, Dialogische Sozialität und ästhetische Sinnlichkeit.
• Schroer, Markus, Soziologie des Körpers.
• Schwarzer, Alice/ Chantal Louis, Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift.
• Schwerma, Klaus, Stehpinkeln. Die letzte Bastion der Männlichkeit? Identität und Macht in einer männlichen Alltagshandlung.
• Sigusch, Volkmar, Sexualitäten. Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten.
• SZ, AfD im Umfragehoch: "Verkürzt und naiv, das einfach als Protestwahl zu verharmlosen". URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/wilhelm-heitmeyer-afd-analyse-1.6012038
• Theweleit, Klaus, „Der Körper als Schmutz“, in: Männerphantasien Bd. 1.
• Weber, Andreas, Männliche Subjektbildung in der Krise? Soziologische Überlegungen zur Geschlechterkonstruktion in den medialen Welten der Mainstream-Pornografie.
• Weber, Andreas, Prozesslogik als Logik moderner Selbstreflexion. Zu Bodo Kirchhoffs "Legenden um den eigenen Körper".
• Weisenbacher, Uwe , Moderne Subjekte zwischen Mythos und Aufklärung. Differenz und offene Rekonstruktion.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Di 23.01.2024 15:26