Universität Wien

230123 SE Zwischen Sozialtheorie und Gesellschaftstheorie. Pierre Bourdieu (2024S)

und sein Verständnis von gesellschaflichen Feldern, Kapitalsorten, sozialen Klassen und Lebenstilformationen

6.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 23 - Soziologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 27 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Mittwoch 06.03. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 13.03. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 20.03. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 10.04. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 17.04. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 24.04. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 15.05. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 22.05. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 29.05. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 05.06. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 12.06. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 19.06. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock
Mittwoch 26.06. 11:30 - 13:00 Inst. f. Soziologie, Seminarraum 3, Rooseveltplatz 2, 1.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Der Erkenntnisgegenstand der Soziologie ist die Gesellschaft der Menschen. Was unter einer Gesellschaft zu verstehen ist, ist in der Soziologie umstritten, ebenso wie die Frage, ob man überhaupt eine Gesellschaftstheorie benötigt. Der Streit hat komplexere Ursachen, ist aber besonders epistemologischen Problemen geschuldet. Denn wer eine Theorie der Gesellschaft ausarbeiten will, muss klären, von welcher Perspektive aus dies geleistet werden soll. Eine absolute, außerhalb der Gesellschaft existente Erkenntnisperpsektive, aus der heraus die Gesellschaft in ihrer empirischen Konstruktivität rekonstruiert werden kann, gibt es nicht. Aber muss eine Theorie der Gesellschaft dann nicht - wie alle anderen Theorien auch - in einen epistemologischen Perspektivismus und damit notwendigerweise in einem Relativismus münden? Denn welche der vielen Denkperspektiven soll gelten, zählt die moderne Weltgesellschaft doch mittlerweile mehr als 8 Milliarden Mitglieder?

Einem epistemologischen Perspektivismus wird in der Theorie Pierre Bourdieu eine klare Absage erteilt. Für Bourdieu war klar, dass die soziologische Theorie ein sachhaltiges Wissen über ihren Gegenstand: die von Menschen konstruierte Gesellschaft wie die Menschen selbst, hervorzubringen vermag. Auch wenn Bourdieu nichts dagegen gehabt hätte, als Sozialtheoretiker bezeichnet zu werden, so finden sich in seinen Arbeiten – fast –alle erforderlichen Komponenten einer modernen soziologischen Gesellschaftstheorie. Bedeutsam ist dabei, dass seine Auseinandersetzung mit epistemologischen, anthropologischen, ethnologischen, psychologischen, soziologischen oder politologischen Fragen nie nur punktuell, sondern immer in einen erkenntnissystematischen Zusammenhang eingebunden war. Dies ist auch der Grund, weshalb Bourdieus Theorie sich nicht nur im interdisziplinären, sondern auch im Kontext empirischer Forschung als ungemein anschlussfähig und fruchtbar erwiesen hat. Und anders als in Luhmanns Systemtheorie spielen im Denken Bourdieus die vielgestaltigen Formen von Macht und Herrschaft, denen die Subjekte in der modernen Gesellschaft unterworfen sind und unter denen sie leiden, eine zentrale Rolle. Bourdieus Soziologie ist aus diesem Grund auch als politisch engagierte Soziologie wahrgenommen worden, was durch Bourdieus eigenes Engagement aktiv gefördert wurde.

Ziel dieses Seminares ist ein mehrfaches: Zunächst soll die Theorie Bourdieus in einem erkennnis- und theoriegeschichtlichen Entwicklungszusammenhang verortet werden, wobei auch die Differenz zwischen einem sozialtheoretischen und gesellschaftstheoretischen Denken erläutert werden soll. Zweitens wird die Struktur seiner Theorie anhand zentraler Begriffe und Positionen: Erkenntnis (Kritik an substanzialistischen und absolutistischen Denkformen und Übergang in ein prozesslogisches Denken), Gesellschaft (Felder, Schichten, Kapitalsorten, Milieus), Individuen (Sozialisation, Habitus, Lebensstil) - erörtert und nach ihren Schwachstellen gefragt. Im Hauptteil des Seminares werden mehrere Texte Bourdieus – zum pädagogischen, wissenschaftlichen und politischen Feld - behandelt und mit aktuellen gesellschaftlichen Problemlagen (Migration, digitale Bildschirmmedien, Neue Rechte, Umwelt-/Klimaproblematik, Bildung) in Beziehung gesetzt. Inhaltliche Eigeninitiativen seitens der Seminarteilnehmer:innen sind ausdrücklich erwünscht. Inwiefern sich Bourdieus Theorie der modernen, in Felder differenzierten Gesellschaft mit Luhmanns Konzeption der funktional differenzierten Gesellschaft vergleichen lässt und worin sie sich unterscheiden soll im Schlussteil ebenso erörtert werden wie die Frage, inwiefern die subjektsoziologisch unterkomplexe Habituskonzeption durch eine historisch-genetische Theorieperspektive fortentwickelt werden kann.

Methoden: Vortrag, Referat, Diskussion (Plenum, Kleingruppen), schriftliche Arbeiten, intensive und kontinuierliche Textlektüre

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

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Hinweis der SPL Soziologie:
Im Zuge der Beurteilung kann eine Plagiatssoftware (Turnitin in Moodle) zur Anwendung kommen.
Die Verwendung von KI-Tools (z. B. ChatGPT) für die Produktion von Texten ist nur dann erlaubt, wenn dies von der Lehrveranstaltungsleitung ausdrücklich gefordert wird (z. B. für einzelne Arbeitsaufgaben).
Zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis kann die Lehrveranstaltungsleitung eine mündliche Reflexion ("Notenrelevantes Gespräch") der abgegebenen Seminararbeit vorsehen, die erfolgreich zu absolvieren ist.
Die Erbringung aller Teilleistungen ist Voraussetzung für eine positive Beurteilung, wenn nicht explizit etwas anderes vermerkt wurde.
Alle Studierenden, die einen Lehrveranstaltungsplatz erhalten haben, sind zu beurteilen, sofern sie sich nicht zeitgerecht abgemeldet haben oder unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses einen wichtigen Grund für die Nichtdurchführung der Abmeldung glaubhaft machen.
Bei Vorliegen eines solchen Grundes (zB eine längere Erkrankung) kann d* Studierende auch nach Ablauf der Frist von der LV abgemeldet werden.
Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes entscheidet die Lehrveranstaltungsleitung. Der Antrag auf Abmeldung ist unverzüglich zu stellen. Wurde eine Teilleistung erschlichen, d.h. etwa bei einer Prüfung oder einem Test geschummelt, bei einer schriftlichen Arbeit plagiiert oder auch Unterschriften auf Anwesenheitslisten gefälscht, wird die gesamte Lehrveranstaltung als "nicht beurteilt" gewertet und entsprechend erfasst.
Dies uns weitere Bestimmungen finden sie im studienrechtlichen Satzungsteil: https://satzung.univie.ac.at/studienrecht/.
Wenn Sie eine prüfungsimmanente Lehrveranstaltung bereits dreimal negativ absolviert haben und sich für einen vierten Antritt anmelden wollen, kontaktieren Sie bitte die StudienServiceStelle Soziologie (vgl: Zusatzinformation "Dritte Wiederholung bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen" https://soziologie.univie.ac.at/info/pruefungen/#c56313)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

AaG= Anteil an Gesamtnote
1. Gruppenreferate (max. 30 Min.) inklusive Handout: 20 %
2. Gruppenprotokoll/kleine schriftliche Arbeiten: 20 %
3 Seminararbeit: 30%
4. Mündliche Prüfung bzw. Klausur: 30%
5. Regelmäßige Anwesenheit und aktives Mitdenken/Mitarbeiten

Prüfungsstoff

Seminartexte, Seminarvorträge, im Seminar analysierte theoretische und empirische Materialien.

Literatur

1. Bourdieu, Pierre (1984), Das objektivierende Subjekt objektivieren, in: ders., Rede und Antwort, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1992, S. 219 – 223.
2. Bourdieu, Pierre (1989), Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/M.
3. Bourdieu, Pierre (1993), Narzisstische Reflexivität und wissenschaftliche Reflexivität, in: Berg, E./Fuchs, M. (Hg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt/M. 1993.
4. Bourdieu, Pierre (1996), „Was bin ich?“ Ein Interview mit P. Bourdieu von Isabella Graw. URL: http://www.homme-moderne.org/societe/socio/bourdieu/entrevue/was.html
5. Bourdieu, Pierre (1997), Der Tote packt den Lebenden. Schriften zu Politik & Kultur 2, Hamburg: VSA.
6. Bourdieu, Pierre (1998), Für eine engagierte Wissenschaft, in: ders., Gegenfeuer, Konstanz: UVK 2001, S. 34-42.
7. Bourdieu, Pierre (2001), „Körperliche Erkenntnis“ (Kap. 4), in: ders., Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 165 – 209.
8. Bourdieu, Pierre (2002), Ein soziologischer Selbstversuch, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
9. Bourdieu, Pierre et al. (2002), Der Einzige und sein Eigenheim, Hamburg: VSA.
10. Bourdieu, Pierre, Das politische Feld. Zur Kritik der politischen Vernunft, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2001.
11. Bourdieu, Pierre, Das politische Feld, in: ders., Das politische Feld. Zur Kritik der politischen Vernunft, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2001, S. 41 – 66.
12. Bourdieu, Pierre, Gegenfeuer, Konstanz: UV K Verlagsgesellschaft 2004.
13. Bourdieu, Pierre, Vom Gebrauch der Wissenschaft. Für eine klinische Soziologie des wissenschaftlichen Feldes, Konstanz: UV K Verlagsgesellschaft 1998.
14. Fröhlich, Gerhard/ Rehbein, Boike (2014) (Hg.), Bourdieu-Handbuch : Leben - Werk – Wirkung. Sonderausgabe, Stuttgart/Weimar: Verlag J.B. Metzler
15. Koch, Thomas (2010), Macht der Gewohnheit? Der Einfluss der Habitualisierung auf die Fernsehnutzung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
16. Schwerma, Klaus (2000), Stehpinkeln - die letzte Bastion der Männlichkeit? : Identität und Macht in einer männlichen Alltagshandlung, Bielefeld: Kleine.
17. Schwingel, Markus (1995), Bourdieu zur Einführung, Hamburg: Junius.
18. Sold, Karin (2013), Ein unvollendeter Aufarbeitungsprozess: Der Algerienkrieg im kollektiven Gedächtnis Frankreichs. URL: https://www.bpb.de/themen/europa/frankreich/505860/der-algerienkrieg/
19. Nassehi, Armin/Gerd Nollmann (Hg.) 2004: Bourdieu und Luhmann. Ein Theorienvergleich. Frankfurt/Main


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Do 22.02.2024 18:26