Universität Wien

240034 SE Seminar Individuelle Schwerpunktsetzung I (2022W)

Unfreie Arbeit im Kapitalismus - Anomalie oder Notwendigkeit?

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
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Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Donnerstag 13.10. 15:00 - 18:15 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Donnerstag 27.10. 15:00 - 18:15 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Donnerstag 10.11. 15:00 - 18:15 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Donnerstag 24.11. 15:00 - 18:15 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Donnerstag 19.01. 15:00 - 18:15 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Sowohl in der klassischen Ökonomie als auch in der Arbeitssoziologie wird davon ausgegangen, dass sich der Kapitalismus durch die Abschaffung unfreier Arbeit, wie Sklaverei oder Frondienst, auszeichnet. Auch rechtlich sind solche Arbeitsverhältnisse verboten. Dennoch arbeiten bis heute Millionen von Menschen unter Zwang. In unserer Lehrveranstaltung werden verschiedene theoretische Ansätze vorgestellt, die versuchen Erklärungen für die Beharrlichkeit unfreier Arbeit zu liefern. Einem interdisziplinären Ansatz folgend wird die ausgewählte politische Theorie mit aktuellen Phänomenen unfreier Arbeit und den sie begleitenden Rechtsfragen zusammengedacht.

Ausgehend von einer theoretischen Auseinandersetzung mit den Begriffen Zwang und Freiheit im Kontext des Arbeitsverhältnisses nehmen wir konkrete Beispiele unfreier Arbeit in den Blick. Unter dem – durchaus umstrittenen – Begriff der „modernen Sklaverei“ werden verschiedene Formen rechtswidriger Ausbeutung kritisiert. Zugleich ist ein bestimmtes Maß an Fremdbestimmung allerdings auch wesensmäßig für legale abhängige Arbeitsverhältnisse. Gerade das Machtungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in legitimiert die Beschränkung der Privatautonomie durch Arbeitsschutzrechte. Wie also lassen sich „unfreie Arbeit“ und „Zwang“ im Kapitalismus fassen?

Adam Smith ging schlicht davon aus, dass die unsichtbare Hand des Marktes Sklav*innenarbeit überflüssig mache, da jene „am Ende die teuerste ist.“ Ähnliche Auffassungen finden sich von David Hume bis hin zu Karl Marx. Auch Max Weber sah freie, vertragsbasierte Lohnarbeit als wesensmäßig für den Kapitalismus an, und unfreie Arbeitsregime, wie jene im Süden der USA, als historische Anomalie. Doch ab der Mitte des 20. Jahrhunderts bringen historisch-soziologische Arbeiten diese Auffassung zunehmend ins Wanken und zeigen, dass kapitalistische Produktionsverhältnisse bis in die Gegenwart von verschiedensten Formen der Zwangsarbeit durchzogen sind. Eine große Rolle spielen dabei intersektionale Ansätze, die sichtbar machen wie rechtliche und außerrechtliche Normengefüge zusammenwirken und insbesondere marginalisierte Gruppen in unfreie Arbeitsverhältnisse drängen. Rechtlich vermittelte Autonomiebeschränkungen können beim Eintritt, bei der Gestaltung und bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen vorliegen. Zudem spielen aber auch Migrationsregime, rassistische Zuschreibungen und Ausschlüsse im Arbeits- und Sozialrecht sowie die Vergeschlechtlichung bestimmter Tätigkeitsfelder eine immense Rolle bei der Regulierung von Arbeit.

Vorläufiges Programm:

1. Einheit: Theoretischer Rahmen
a. Freie Lohnarbeit im Kapitalismus in Abgrenzung zu gebundenen Arbeitsverhältnissen des Feudalismus/Sklaverei
b. Kritik: „Doppelt freie Lohnarbeit“ nach Karl Marx; Feministische Theoretisierung unbezahlter Arbeit

2. Einheit: Kapitalismus & Kolonialismus
a. Unfreie Arbeit als rechtliche Normalität in den Kolonien

3. Einheit: Sklaverei in den Südstaaten der USA – historische Anomalie oder Teil des Kapitalismus?

4. Einheit: Unsichtbare Arbeit – Unsichtbare Zwänge?
a. Vergeschlechtlichung von Reproduktionsarbeit und Abhängigkeiten „im Privaten“
b. Domestic Service & Kontinuitäten unfreier Arbeit in privaten Haushalten

5. Einheit: Aktuelle Phänomene - Unfreie Arbeit in der postkolonialen Welt
Exportproduktionszonen/Wanderarbeit/Indenturknechtschaft

6. Einheit: Aktuelle Phänomene - Neoliberalismus und Formen unfreier Arbeit im globalen Norden
a. Gefängnisarbeit
b. Beschränkte Arbeitsmärkte, zB Ausländer*innenbeschäftigung
c. Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung und zum Zweck der sexuellen Ausbeutung

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Die Lehrveranstaltung ist als Lektürekurs und Forschungslabor angelegt. Zum einen werden mit den Studierenden Grundlagentexte der politischen Theorie gelesen, zum anderen sollen die theoretischen Erkenntnisse sowohl in empirische als auch rechtswissenschaftlichen Analysen einfließen und von den Studierenden eigenständig angewandt werden. Ausgewählte Texte (deutsch und englisch) werden vorbereitend auf die jeweiligen Einheiten gelesen und bilden die Grundlage zur gemeinsamen Diskussion. Schreibübungen (z.B. Lesetagebücher) unterstützen bei der Lektüre. Inputs durch die Lehrveranstaltungsleitung vermitteln Grundlagen und Zusammenhänge. Ergänzend sind einzelne Studierende oder kleinere Studierendengruppen für Kurzreferate verantwortlich. Die Themen werden in der ersten Einheit vergeben. Ausdrücklich willkommen ist das Einbringen eigener Forschungsideen seitens der Studierenden.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die Leistungen sind laufend während des Semesters zu erbringen. Regelmäßige Anwesenheit ist eine Mindestanforderung für eine positive Beurteilung.

Die Beurteilung setzt sich wie folgt zusammen:

- kleine begleitende Übungen und Aufgaben : 20%
- aktive Teilnahme an gemeinsamen Diskussionen: 20%
Referat inkl. Handout: 30%
- Abschlussarbeit zu einer vorgegebenen oder eigenen Fragestellung: 30%

Prüfungsstoff

Literatur


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Do 25.08.2022 10:08