Universität Wien

240055 PS Literarischer Aktivismus, Black Feminism und Intersektionalität (2019S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Mo 15.00-16.30 Uhr, SR 8 (Sensengasse 3a, 1090 Wien)
Beginn: 11.03.2019


Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Wie definieren, ob literarischer Aktivismus eine Sache ist und nicht nur ein Medium, das im Namen einer anderen Bewegung verwendet wird? Oder tritt der literarische Aktivismus zurück und betrachtet, wie die Zahnräder der literarischen Welt ineinandergreifen, mahlen und knirschen, um in der Folge kritisch darauf zu reagieren? Geht es um einen Aktivismus durch Literatur oder um einen Aktivismus zugunsten der Literatur? Sowohl als auch. Im Seminar werden wir uns beide Bedeutungsnuancen, insbes. im Hinblick auf ihre enge Verschränkung mit feministischen Bewegungen, anschauen: Literatur als Vehikel der Frauenbewegungen und feministischen Aktivismus zugunsten der Literatur.
Die Vermittlung feministischer Inhalte durch Literatur kann (mind.) bis ins 19. Jh. zurückverfolgt werden und führt u.a. zu frühfeministischen Autorinnen wie Olive Schreiner und Sarah Grand, die in ihren Romanen das weiße Ideal der ‚neuen Frau’ verhandelt haben, zu Virginia Woolfs "A Room of One’s Own" (1929), aber eben auch zu Sojourner Truths "Ain’t I a Woman?" (1851) und Anna J. Coopers "A Voice from the South" (1892) bzw. den Anfängen des Black Feminism/Black Feminist Criticism, dessen intersektionales Programm wiederum Eingang in fiktionale Texte gefunden hat – avant la lettre in slave narratives wie Harriet Jacobs' "Incidents in the Life of a Slave Girl" (1861) oder Zora Neale Hurstons "Their Eyes Were Watching God" (1937) und dann vermehrt in die Werke von Alice Walker und Toni Morrison. Seit einiger Zeit finden sich auch verstärkt fiktionale Texte, innerhalb derer die Protagonist*innen digitale Formen der Literatur einsetzen, um aktivistische Inhalte zu transportieren und dadurch über die gesellschaftspolitische Funktion von Literatur in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung zu reflektieren, so bspw. Ifemelus race-Blog in Chimamanda Ngozi Adichies afropolitanem (?) Roman "Americanah" (2013). Diese in Literatur stattfindende Anprangerung von gesellschaftlichen Missständen über das Internet leitet bereits zur zweiten Bedeutungsnuance des literarischen Aktivismus über: Kritik an den Mechanismen und Ungleichheiten innerhalb des Literaturbetriebs. Ausgehend von Alison Andersons Essay "Of Gatekeepers and Bedtime Stories" (2016) werden unterschiedliche Torwächter*innen des Literaturmarktes (v.a. Literaturkritik, Verlage, Literaturpreise) besprochen sowie aktivistische Fallbeispiele, die diese sichtbar machen und kritisieren; bspw. zählt die Organisation VIDA Women in Literary Arts jährlich Rezensionen in US-amerik. Feuilletons und wertet diese hinsichtlich des Geschlechts der Autor*innen und seit 2015 auch intersektional, d.h. hinsichtlich weiterer Kategorien wie sexueller Orientierung, race, Ethnizität, Alter usw. aus. Nina Georges Zählungen (2017) innerhalb des deutschen Literaturbetriebs ergaben, dass Bücher von Frauen* seltener in (hoch-)literarischen Verlagen erscheinen, weniger renommierte Preise erhalten und seltener rezensiert werden.
Das Proseminar gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten erarbeiten wir gemeinsam eine Definition von Literarischem Aktivismus und schauen uns die Verschränkung dieses Konzepts mit Feminismen, insbes. Black Feminism und Intersektionalität, an. Im zweiten Abschnitt steht Literatur als Medium zur Vermittlung feministischer und intersektionaler Inhalte im Fokus; ausgewählte historische und zeitgenössische Texte werden von Studierenden in Form von Kurzreferaten präsentiert und anschließend anhand von ausgewählten Textausschnitten gemeinsam diskutiert. Im letzten Abschnitt des Proseminars geht es um literarischen Aktivismus, der Ungleichheiten innerhalb des Literaturbetriebs aufdeckt und kritisiert. Studierende führen in Kleingruppen stichprobenartige Zählungen nach VIDA-Vorbild durch und stellen diese vor.
Übergeordnetes Ziel ist es, Schnittstellen von literarischem Aktivismus, Black Feminist Criticism und Intersektionalität wie auch Möglichkeiten der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen aufzuzeigen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Maßgeblich für die Benotung sind folgende Punkte:
- Mitarbeit (inkl. laufender Vorbereitung der Texte und Textausschnitte, die auf Moodle oder in einem Reader bereitgestellt werden)
- (Mit-)Gestaltung einer Einheit – es kann zwischen zwei Formaten gewählt werden:
1. In einer Kleingruppe einen literarischen Text (es werden in der ersten Einheit einige Texte zur Auswahl gestellt) in Bezug auf das übergeordneten Seminarthema vorbereiten und im zweiten Abschnitt des Proseminars vorstellen. Wichtig ist hierbei, dass nicht nur frontal vorgetragen, sondern die Gruppe mittels Aufgabenstellungen miteinbezogen wird (z.B. Vorbereitung von Diskussionsfragen, die dann zunächst in Kleingruppen erarbeitet werden können).
2. In einer Kleingruppe eine Mini-Erhebung durchführen (es werden in der ersten Einheit einige konkrete Vorschläge für solche ‚Zählungen’ angeboten), diese aufbereiten und im dritten Abschnitt des Proseminars in Form eines Werkstattberichts präsentieren.
- Gegen Ende des Semesters Abgabe eines Themenvorschlags für die Abschlussarbeit (kann, muss aber nicht jenes Thema sein, zu dem bereits präsentiert wurde), in dem die geplante Vorgehensweise beschrieben wird und auch, welche Literatur miteinbezogen werden soll (Kurzbibliographie)
- Nach Ablauf des Semesters Abgabe der Abschlussarbeit (Essay)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Um die Lehrveranstaltung positiv abzuschließen, wird von den Teilnehmer*innen eine regelmäßige und aktive Teilnahme erwartet. Es werden jede Woche kürzere Texte oder Textausschnitte (die im Vorhinein auf Moodle zugänglich gemacht werden) zu lesen und vorzubereiten sein. Da viele der Texte in englischer Sprache verfasst sind, werden gute Englischkenntnisse bzw. die Bereitschaft, sich mit den Texten auf Englisch auseinanderzusetzen, vorausgesetzt. Zudem hat jede*r Studierende im Laufe des Semesters eine Einheit mitzugestalten (in Kleingruppen) und eine Abschlussarbeit (Essay) abzugeben, die vorher in der Form eines Themenvorschlags (inkl. Kurzbibliographie) kommuniziert wurde.
Die Endnote setzt sich folglich aus vier Teilleistungen zusammen: Aktive Mitarbeit (15%), Gestaltung einer Einheit (20%), Abgabe des Themenvorschlags inkl. Kurzbibliographie (15%), Abgabe eines Essays im Umfang von 8-12 Seiten (50%).

Prüfungsstoff

Die während des Semesters besprochene Literatur. Die theoretischen Texte zu Literaturaktivismus und Intersektionalität sind von allen verpflichtend zu lesen. Von den Primärwerken werden Ausschnitte zur Verfügung gestellt – je nach persönlicher Schwerpunktsetzung (Gestaltung einer Einheit, Thema Abschlussarbeit) ist mind. ein Werk komplett zu lesen oder alternativ eine Mini-Erhebung (z.B. Literaturpreise, Rezensionen usw.) durchzuführen.

Literatur

Adichie, Chimamanda Ngozi: Americanah (2013)
Anderson, Alison: "Of Gatekeepers and Bedtime Stories: The Ongoing Struggle to Make Women's Voices Heard." In: World Literature Today 90:6 (2016), S. 11-15, https://www.worldliteraturetoday.org/2016/november/gatekeepers-and-bedtime-stories-ongoing-struggle-make-womens-voices-heard
Chaudhuri, Amit: Literary Activism: Perspectives. New Delhi: Oxford University Press India 2017.
Cooper, Anna J.: A Voice from the South [1892]. New York: Oxford University Press 1988.
Crenshaw, Kimberlé. Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine. In: The University of Chicago Legal Forum 139 (1989), S. 139-167.
George, Nina: "Macho Literaturbetrieb." In: boersenblatt.net Das Portal der Buchbranche (12.1.2017), https://www.boersenblatt.net/artikel-nina_george_ueber_die_stellung_der_frauen_im_literaturbetrieb.1272531.html
Hurston, Zora Neale: Their Eyes Were Watching God (1937)
King, Amy: "What Is Literary Activism?" In: Poetry Foundation (18.8.2015), https://www.poetryfoundation.org/harriet/2015/08/what-is-literary-activism
Kovalova, Karla (Hg.): Black Feminist Literary Criticism: Past and Present. Frankfurt am Main: Peter Lang 2016.
Morrison, Toni: The Bluest Eye (1970) oder Sula (1973)
Selasi, Taiye: "Bye-Bye Babar." In: LIP Magazine (3.3.2005), http://thelip.robertsharp.co.uk/?p=76.
Truth, Sojourner: „Ain’t I a Woman?“ (1851). In: https://www.thesojournertruthproject.com/
VIDA Women in Literary Arts, https://www.vidaweb.org/.
Walker, Alice: The Third Life of Grange Copeland |(1970) & In Search of Our Mothers' Gardens (1983)

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Di 05.02.2019 11:08