Universität Wien

240113 VO+UE VM4 / VM5 - Negritude versus Eurozentrismus (2020W)

eine literarische Bewegung als Paradigma der politischen Emanzipation

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
SGU

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Geplant ist die abwechselnde Option (wird natürlich von der Anzahl der Anmeldungen abhängen): Erste Einheit "Online". Die restlichen Einheiten dann immer alternierend.

  • Dienstag 06.10. 11:15 - 12:45 Digital
  • Dienstag 13.10. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 20.10. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 27.10. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 03.11. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 10.11. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 17.11. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 24.11. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 01.12. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 15.12. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 12.01. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 19.01. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Dienstag 26.01. 11:15 - 12:45 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Als Aimé Césaire (1913-2008) den Begriff „Negritude“ als weltanschauliches Konzept 1932 zum ersten Mal formulierte, konnte er nicht wissen, dass damit die Grundlage einer bedeutenden interkontinentalen kulturellen und politischen Bewegung gelegt wurde. Césaire lernte Léopold Sédar Senghor (1906-2001) im Paris der 1930er Jahre kennen. Zusammen mit Léon-Gontran Damas (1912-1978) haben sie die Negritude als kulturphilosophische, literarische und politische Bewegung nachhaltig geprägt. Im Frankreich der Zwischenkriegszeit befanden sich die meisten „schwarzen“ Intellektuellen auf der Suche nach Identität und Authentizität. Die aus dieser Situation entstandene Negritude war primär eine Reaktion auf den Rassismus der Europäer und deren Überlegenheitskomplex. Die politische Bedeutung der Negritude muss jedoch hervorgehoben werden, zumal es sich um eine dynamische Phase des von kolonisierten Menschen geführten globalen Emanzipationskampfes handelt. In den Jahren 1930 bis 1940 erlebte Paris eine dynamische literarische Entwicklung, die von vielen „schwarzen“ Intellektuellen geprägt wurde. Um ihre Ideen zu verbreiten und einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen, entschieden einige von ihnen, Zeitschriften zu publizieren. So gründeten 1931 die aus Martinique stammende Feministin Paulette Nardal (1896-1985), ihre Schwestern Andrée und Jeanne, zusammen mit dem Haitianer Dr. Léo Sajous, die Literaturzeitschrift „La Revue du Monde Noir“. Die Nardal-Schwestern organisierten private Diskussionsabende mit prominenten Intellektuellen wie Jean Price-Mars (1876-1969), René Maran (1887-1960) [dem Träger des französischen Literaturpreises Prix Goncourt], aber auch mit Césaire, Damas und Senghor, die über Literatur, Kolonialismus, das Bild der „Schwarzen“ in Europa debattierten und zugleich die Spezifität einer „Schwarzen“ Zivilisation in Anspruch nahmen. Ihre Devise lautete: „Frieden, Arbeit, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“
Aus der Sicht der Diskussionsteilnehmer ging es darum, einen gewissen Stolz in Bezug auf ihre Kultur laut zu proklamieren und dadurch auch ihren Unterlegenheitskomplex abzulegen. Die Herausforderung bestand also darin, die vom Okzident negierte kulturelle Identität der „Schwarzen“ wiederherzustellen. Die europäische Auffassung eines geschichtslosen und kulturell bedeutungslosen Afrika musste von den „Schwarzen“ selbst widerlegt werden. Schon damals war die Rede von einem „Internationalisme nègre“ [also einer Internationalen der „Neger“], dessen Funktion darin lag, eine Kampfansage an die „zivilisierte“ Welt zu formulieren, wobei man aber absolut bereit war, mit Vertretern der „weißen“ Zivilisation zusammenzuarbeiten. Insofern war es kein Widerspruch, dass neben dem US-amerikanischen Schriftsteller Langston Hughes (1902-1967), auch der deutsche Ethnologe Leo Frobenius (1873-1938) einige Artikel für „La Revue du Monde Noir“ verfasste. Bekanntlich stellte Frobenius eine prinzipielle Gleichwertigkeit zwischen den europäischen und afrikanischen Zivilisationen fest. Infolgedessen sollte er eine starke Faszination auf Senghor ausüben, der ihn als Persönlichkeit bezeichnete, die „Afrika seine Würde und seine Identität wiedergegeben habe“.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Eine Aktualisierung der Negritude-Theorie gründet prinzipiell auf der legitimen Annahme, dass die vermeintlichen alten Herrschaftsideologien und -methoden keineswegs an Brisanz verloren haben. Angesichts dieses Sachverhalts ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Kampfbereitschaft gegen Ausbeutung und Diskriminierung weiterhin erforderlich ist. Aufgabe der LV ist es, die Genese der Negritude als Emanzipationsbewegung historisch und politisch einzuordnen. Ferner werden Auswirkungen der kolonialen Assimilationsdoktrin auf die Grundhaltung der „schwarzen“ Eliten und Antikolonialisten erläutert. Es wird ebenfalls versucht, festzustellen, inwiefern der essentialistische Diskurs der Negritude-Theoretiker sich durch den kolonialen Rassismus begründen lässt. Anhand von historischen Quellen und Texten wird der Versuch unternommen, durch Übungen Themen zu finden, vorhandene Begriffsdefinitionen und Theorien zu deuten, Archivquellen in schriftlichen Arbeiten zu verwenden, historische Zusammenhänge herzustellen etc…

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Regelmäßige und aktive Teilnahme, Referate, Verfassen von kurzen Hausaufgaben bzw. einer Semesterarbeit.

Prüfungsstoff

THEMENVORSCHLÄGE:

1. Momente des Kolonialismus in Afrika
2. Fremdherrschaft und Problematik der Emanzipation
3. Afrikas postkoloniale Staaten
4. Der Kalte Krieg
5. Afrikanische Staaten im Kalten Krieg
6. Konferenz von Bandung (1955); Blockfreie Staaten
7. Die Kubanische Revolution
8. Reaktion der US-Regierung auf die Kubanische Revolution
9. Post-Unabhängigkeit und Politische Krisen in Afrika
10. Patrice Emery Lumumba und die Kongolesische Unabhängigkeit
11. Kolonialismus – Neokolonialismus – Globalisierung in Afrika
12. Antikolonialismus und Antiimperialismus im Kalten Krieg
13. Politische Optionen der Dritten Welt innerhalb der Nord-Süd-Konfrontation
14. Eurozentrismus und Theorien der Dritten Welt
15. Europäische Kommunisten und die koloniale Frage
16. Re-Kolonisierung? Europas Globalisierungspolitik in Afrika
17. Che Guevaras Theorien der Revolution
18. Theorien und Strategien des Guerillakrieges
19. Kubas avantgardistische Rolle im Kampf gegen den internationalen Imperialismus
20. Che Guevara und die Revolution in Afrika
21. Nationalismus-Konzepte und Emanzipationsbestrebungen
22. Dekonnexionspolitik [Samir Amin], Dissoziations- oder Abkoppelungstheorie [Dieter Senghaas, Ulrich Menzel] als taugliche Gegenmodelle zum US-europäischen integrativen und assoziativen Entwicklungskonzept?
23. Frantz Fanon und die Algerische Revolution
24. Die Relevanz des „Fanonismus“ für den Antikolonialismus in der Dritten Welt
25. Revolutionen: ihre Internationalität und Universalismus [Französische Revolution (1789) – Russische Revolution (1917) – Iranische Revolution (1979)]
26. Der Partisanen Krieg nach Che Guevara
27. Vietnamkrieg und US-Domino-Theorie
28. Che Guevara in Bolivien
29. Der african-amerikanische Aufstand in den USA der 1960er Jahre
30. Antikolonialismus - Antiimperialismus - Antikommunismus - Antiislamismus: das Zeitalter des Kontra-Prinzips
31. Der Panafrikanismus in den britischen und französischen Kolonien
32. Fanon in der Negritude-Bewegung
33. Negritude-Theorie und politische Partizipation
34. Panafrikanismus und postkoloniale Kämpfe
35. Negritude: Identitäts- und Frauenpolitik
36. Der Circulus vitiosus der Rassenideologie
37. Rezension des Vorworts von Sartre zu Fanons „Die Verdammten dieser Erde“
38. Black Lives Matter-Bewegung: Aktualität und Relevanz

Literatur

Einführungsliteratur:

1. Césaire, Aimé: „Zurück ins Land der Geburt“ [Übers. Janheinz Jahn], Insel Verlag, Frankfurt 1962

2. Césaire, Aimé: „Über den Kolonialismus“ [Übers. Monika Kind], Wagenbach, Berlin 1968. [Neu-Übers. Heribert Becker, Karin Kramer, Berlin 2010]

3. János Riesz: „Léopold Sédar Senghor. Der afrikanische Aufbruch im 20. Jahrhundert“, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2006

4. Fanon, Frantz: „Schwarze Haut, weiße Masken“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1985

5. Fanon, Frantz: „Die Verdammten dieser Erde“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981

6. Said, Edward: „Kultur und Imperialismus: Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht“, Frankfurt am Main 1994

7. Wallerstein, Immanuel: „Die Barbarei der Anderen. Europäischer Universalismus“, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

IE: VM5 / VM4;
Codes AfriWi: SAG.VO1; SAG.VO2

Letzte Änderung: Fr 12.05.2023 00:20