Universität Wien

240114 SE Forschungsseminar (2023W)

Sexualität im Konzentrationslager Mauthausen. Eine Spurensuche in den Archiven

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Freitag 06.10. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 13.10. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 20.10. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 27.10. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 03.11. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 10.11. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 17.11. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 24.11. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 01.12. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 15.12. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 12.01. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 19.01. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7
  • Freitag 26.01. 09:45 - 13:00 Hörsaal 29 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 7

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Das KZ-Mauthausen wurde nur wenige Wochen nach dem „Anschluss“ des austrofaschistischen Österreich an das Deutsche Reich beschlossen. Im Dezember 1939 ließ die SS ein zweites Konzentrationslager in Gusen, nur wenige Kilometer von Mauthausen entfernt, errichten. Ab 1944 wurden weibliche Häftlinge in Außenlager des KZ-Systems Mauthausen überstellt. Häftlingsbordelle, wo weibliche Gefangene als Sex-Zwangsarbeiterinnen sexuell ausgebeutet wurden, gab es ab 1942. Insgesamt wurden Menschen aus ganz Europa von August 1938 bis zur Befreiung im Mai 1945 in das KZ Mauthausen verschleppt. Von den insgesamt etwa 190.000 Gefangenen des KZ Mauthausen und seiner Außenlager waren in sieben Jahren mindestens 90.000 zu Tode gekommen.

Zahlreiche männliche und weibliche Häftlinge waren in Konzentrationslagern von sexuellen Gewaltanwendungen und sexueller Ausbeutung betroffen, sie waren jedoch auch selbst Täter:innen. Sexualität im KZ Mauthausen und seinen Außenlagern wurde bisher in der Forschung wenig beachtet. Erforscht wurden zunächst homosexuelle männliche Häftlinge, welche nach Paragraf 175 und 175a verurteilt und inhaftiert worden waren. Die individuelle Erinnerung ehemaligen KZ-Häftlingen setzte meist spät ein. Viele waren “verschwiegen” und trauten sich – wenn überhaupt – erst im hohen Alter in Oral History Interviews über das Erlebte zu sprechen oder darüber zu schreiben. Die Quellen werden von den Archiven meist nur geschwärzt zur Verfügung gestellt, Datenbanken mit den Namen der Häftlinge sind außerhalb der Forschung nicht zugänglich.

Auch die staatliche Aufarbeitung verzögerte sich. Eine Plakette zur Erinnerung an die homosexuellen Opfer der Nazi-Verfolgung wurde 1984 an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen angebracht. Erst im Jahr 2005 wurden in Österreich Homosexuelle als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Die Häftlingsbordelle in Mauthausen und Gusen sind bis heute für Besucher verschlossen. Eine Sonderausstellung zur Sex-Zwangsarbeit in Mauthausen wurde 2005 gezeigt. Seither interessiert sich die Forschung zunehmend für das Thema. Dies zeigt auch die das diesjährige “Dialogforum” der KZ- Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial (September 2023).
Das Seminar baut damit auf den dort präsentierten aktuellsten Forschungsergebnissen auf.

Methoden:
Im Seminar werden Methoden der qualitativen und quantitativen Forschung anhand von Quellen geübt und angewandt. Wir werden quantitative Quellen hinterfragen und über die Schwierigkeiten, Vor- und Nachteile der statistischen Auswertung nach Häftlingskategorien diskutieren.
Im zweiten Teil widmen wir uns unterschiedlichen Quellen für die Biografieforschung. Wir diskutieren den “Raum der Namen” und das Konzept des Gedenkens anhand von Namen ebenso wie die Schwierigkeiten, die in der Praxis für die Herangehensweise an queere Biografien entstehen. Problemstellungen, z. B. wie trotz bruchstückhaften Überlieferungen von lebensgeschichtlichen Dokumenten eine Biografie aufgespürt und rekonstruiert werden kann, werden anhand von einzelnen Biografien kritisch hinterfragt.

Außerdem werden wir Gedenktafeln und damit das öffentliche Gedenken an marginalisierte Gruppen untersuchen. Die Studierenden sollen sich kritisch mit Fragen der Überlieferung, Sichtbarkeit und Erinnerung auseinandersetzen. Schließlich werden die Studierenden aufgefordert in Gruppenarbeiten mit den Quellen zu arbeiten und eigene Fragestellungen zu verfolgen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Im ersten Teil wird eine Einführung zum KZ-System Mauthausen sowie zur Verfolgung sexueller Minderheiten/nicht heteronormativer Personen und Frauen/FLINTA-Personen im Nationalsozialismus gegeben. Die Basisliteratur wird in der Gruppe diskutiert und wichtige Fragestellungen werden herausgearbeitet. Methodisch wird eine Einführung in zentrale Konzepte der geschlechterhistorischen Forschung mit Schwerpunkt auf theoretisch-methodische Zugänge der Biografieforschung und Mikrogeschichte der Zeitgeschichte gegeben. Analytische Fähigkeiten werden vermittelt.

Im zweiten Teil lernen Studierende, anhand konkreter Fallbeispiele Personen innerhalb des KZ- Systems zu verorten. Sie werden im Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Wien direkt an den originalen Quellen arbeiten. Die Themen der Seminararbeiten werden gewählt und es wird konkret zum Thema geforscht. Studierende haben die Möglichkeit direkt mit Archivquellen und -Datenbanken zu arbeiten und Auswertungen vorzunehmen.

Geplant ist auch ein Besuch an der KZ-Gedenkstätte in Mauthausen. In einer Führung über das Gelände diskutieren wir die erarbeiteten Themen direkt am Ort der Verbrechen.

Eine längere Workshop-Einheit wird zur Erarbeitung von Postern zur Seminararbeit und zur vertiefenden Diskussion der Quellen sowie zur Diskussion zentraler Thesen der Seminararbeit genutzt.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Aktive Teilnahme: 2 von 10 Punkten
Präsentation, Posterpräsentation: 2 von 10 Punkten
Datenerhebung und Instrument: 2 von 10 Punkten
Forschungsbericht: 4 von 10 Punkten

Prüfungsstoff

active participation, presentation, short exposé/handout, data collection and instrument, research report.

Literatur

Amesberger, Helga / Auer, Katrin / Halbmayr, Brigitte: Sexualisierte Gewalt. Weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern, Wien 2004.

Die Aussteller (Hg.): Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern. Katalog zur Ausstellung, Wien 2005.

Dobosiewicz, Stanislaw: Vernichtungslager Gusen (Mauthausen-Studien 5), Wien 2007.

Eschebach, Insa / Mühlhäuser, Regina (Hg.): Krieg und Geschlecht. Sexuelle Gewalt im Krieg und Sex- Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern, Berlin 2008.

Grzesiuk, Stanislaw: Fünf Jahre KZ (Mauthausen-Erinnerungen 4), Wien / Hamburg 2020.

Gräser, Marcus / Rupnow, Dirk (Hg.): Österreichische Zeitgeschichte – Zeitgeschichte in Österreich. Eine Standortbestimmung in Zeiten des Umbruchs (Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek 41), Wien 2021.

Heger, Heinz: Die Männer mit dem rosa Winkel. Der Bericht eines Homosexuellen über seine KZ-Haft 1939-1945, Hamburg 1993.

Hájková, Anna: Den Holocaust queer erzählen, in: Janin Aven/Jan Feddersen/Benno Gammerl/ Rainer Nicolaysen/Benedikt Wolf (Hg.): Jahrbuch Sexualitäten 2018. Göwngen 2018, 86–110.

Jensen, Erik Norman: The Pink Triangle and Political Consciousness: Gays, Lesbians, and the Memory of Nazi Persecution, in: Journal of the History of Sexuality 11, Nr. 1/2 (2002), 319–49.

Marsalek, Hans: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation, Wien 2016, 4. Nachdruck.

Ostrowska, Joanna / Talewicz-Kwiatkowska, Joanna / Dijk, Lutz van (Hg.): Erinnern in Auschwitz auch an sexuelle Minderheiten, Berlin 2020.

Ostrowska, Joanna: Häftlinge nach Paragraph 175a im Lagerkomplex Mauthausen-Gusen. Verschwiegene Biografien von Polen aus dem “Reichsgau Wartheland”, coMMents 1 (2002).

Paul, Christa / Sommer, Robert: SS-Bordelle und Oral History. Problematische Quellen und die Existenz von Bordellen für die SS in Konzentrationslagern, BIOS 19/1 (2006), 124-142.

Perz, Bertrand: Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. 1945 bis zur Gegenwart, Innsbruck / Wien 2006.

Prenninger, Alexander / Berger, Heinrich / Lechner, Ralf / Kranebitter, Andreas / Fritz, Regina / Amesberger, Helga / Botz, Gerhard (Hg.): Mauthausen und die nationalsozialistische Expansions- und Verfolgungspolitik, Bd. 1, Wien 2021.

Prenninger, Alexander / Fritz, Regina / Botz, Gerhard / Dejnaga, Melanie (Hrsg.): Deportiert nach Mauthausen, Bd. 2, Wien 2021.

Schwarz, Michael (Hg.): Homosexuelle im Nationalsozialismus. Neue Forschungsperspektiven zu Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945, München 2014.

Schwarzwurzeln Kollektiv (Hg.): Ermordet, Befreit, Verschwiegen. AnarchistInnen, Zwangsprostituierte, sexuell missbrauchte Jugendliche, Homosexuelle im KZ Mauthausen (Anarchismus - Anarchie Texte 38), Mauthausen 2005, 2. Auflage.

Sommer, Robert: Das KZ Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Paderborn 2009.

Sommer, Robert: Maskulinität und sexuelle Ausbeutung: Bordellgänger in Konzentrationslager, in: Elke Frietsch / Christina Herkommer: Nationalsozialismus und Geschlecht: Zur Politisierung und Ästhetisierung von Körper, »Rasse« und Sexualität im »Dritten Reich« und nach 1945, Bd. 6, Bielefeld 2015, 156-179.

Verein für Gedenken und Geschichtsforschung in Österreichischen KZ-Gedenkstätten (Hg.): Das Konzentrationslager Mauthausen 1938 – 1945. Katalog zur Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Wien 2013.

Wickert, Christl: Tabu Lagerbordell. Vom Umgang mit der Zwangsprostitution nach 1945, in: Insa Eschenbach / Sigrid Jacobeit / Silke Wenk (Hg.): Geschlecht und Gedächtnis. Deutungsmuster in Darstellungen des nationalsozialistischen Genozids, Frankfurt am Main/ New York, 41-58.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Do 24.08.2023 12:07