Universität Wien

400035 SE Seminar für DissertantInnen: Theorie (2011S)

Theorie(n) der Internationalen Politischen Ökonomie

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Freitag 17.06. 09:00 - 18:00 C0628A Besprechung SoWi, NIG Universitätsstraße 7/Stg. III/6. Stock, 1010 Wien
  • Samstag 18.06. 09:00 - 18:00 Seminarraum 2 Berggasse 7 2.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Im Mittelpunkt des Kolloquiums stehen Fragen des Zusammenhangs von weltwirtschaftlichen Krisen und Umbrüchen in der gesellschaftlichen und politischen Regulation des Kapitalismus. Im historischen Rückblick erweis sich beispielsweise die Great Depression der 1930er Jahre als Kraft, die zunächst den Zerfall des Weltsystems, in der Nachkriegsordnung dann aber eine keynesianische Neuordnung von Gesellschaft und Staat bewirkte. In der Weltwirtschaftskrise der 1970er Jahre dagegen entfalteten sich zunächst deutliche Restriktionen des Keynesianismus, um schließlich einer neoliberalen Globalisierung den Weg zu ebnen. Wann entwickeln sich Krisen der Kapitalakkumulation also zu historischen Zäsuren von weltwirtschaftlichen und -politischen Entwicklungsmustern? Wie lassen sich die waltenden Krisenprozesse analysieren? Wie muss in solchen Phasen die Dialektik von objektiven Strukturen und politischem Entscheidungsprozess gedacht werden? Lassen sich in der Krisengeschichte des Kapitalismus Entwicklungsgesetze aufspüren?

Diskutiert werden unterschiedliche theoretische Konzepte der Internationalen Poltischen Ökonomie (social structure of accumulation-Ansatz, Weltsystemtheorie, Regulationstheorie, neo-gramscianische Ansätze) und ihre spezifische empirische Operationalisierung der kapitalistischen Krisen. Die Ansätze werden in ihren wesentlichen theoretischen Bezügen (Marx, Gramsci, Polanyi) erläutert und hinsichtlich ihrer Relevanz für die Analyse aktueller Krisen- und Umbruchstendenzen des Kapitalismus diskutiert.

Zugleich besteht im Kolloquium die Möglichkeit, Gliederungsentwürfe, Kapitel oder Teile der eigenen Doktorarbeit zu diskutieren.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Vorbereitung:
• kurze, 1-2seitige Skizze des Dissertationsprojektes, der gewählten Theorie, ihrer Operationalisierung und offener Fragen/Probleme.
• Bereitschaft, einen Grundlagentext im Seminar vorzustellen.
• möglichst umfangreiche Lektüre der Grundlagentexte.
• fakultativ: Vorbereitung einer 15-minütigen Präsentation des eigenen Projektes mit Fokus auf Fragestellung, Theorie und Operationalisierung.
Nachbereitung:
Essay, in dem eine oder zwei Theorien skizziert und auf ihre „Anwendbarkeit“ für das eigene Dissertationsprojekt hin diskutiert werden. Abgabetermin: 15. August 2011 per mail. Eingegangene Essays werden an alle Teilnehmenden verschickt und Ende August präsentiert. Jeder Text wird von einer/m anderen TeilnehmerIn 5-10 Minuten kommentiert.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

In diesem Seminar für DissertantInnen sollen Kenntnisse in Theorien Internationaler Politischer Ökonomie vertieft, aufgefrischt und – falls einzelne Theorien noch nicht bekannt sind – vermittelt werden. Im Zentrum stehen Potenziale und Probleme ihrer Operationalisierung für bestimmte empirische Fragestellungen.

Prüfungsstoff

Diskutiert werden auf der Grundlage der unten stehenden Texte zentrale theoretische Ansätze der Internationalen Politischen Ökonomie. Der Schwerpunkt der Auswahl richtet sich nach den Interessen der Teilnehmenden. Es können auch eigene Textvorschläge eingebracht werden. Bitte bereits in der Anmeldung angeben, welche theoretischen Paradigmen besonders interessieren und ggf. eigene Textvorschläge machen.
Leitfragen für die Textlektüre
I. Textanalyse
1) Welches Problem versucht der Text zu erklären und auf welcher „Ebene“ ist er angesiedelt (große Theorie, Theorie mittlerer Reichweite, empirische Untersuchung)? Wie lautet die zentrale Fragestellung?
2) Ist eine Motivation des Autors/der Autorin/der Autoren erkennbar? Woran wird Anstoß genommen, was empört, was soll verändert werden? Kurz: Warum ist der Text geschrieben, auf welcher „Baustelle“ arbeitet er? (Kontextanalyse).
3) Was sind die theoretischen Bezüge/Abgrenzungen?
4) Welchen Weg, welche Methode wähl(t)en der Autor/die Autorin/die Autoren zur Bearbeitung/Beantwortung des aufgerissenen Problems?
5) Welche „Begriffe von der Sache“ (Theodor W. Adorno) werden entwickelt und wie werden sie bestimmt? Was ist die zentrale These?
6) Wie ist der Gang der Argumentation? Was lautet das zentrale Argument?
II. Textkritik
1) Ist die Fragestellung klar formuliert? Ist das behandelte „Problem“ tatsächlich ein Problem?
2) Tragen die entwickelten Begriffe tatsächlich zum Verständnis des behandelten Problems bei? Werden die einleitend gestellten Fragen im Gang der Argumentation tatsächlich bearbeitet/beantwortet?
3) Führ(t)en der Autor/die Autorin/die Autoren die Begriffe verständlich ein oder bleiben sie unklar? Nutzt der Text? Wie hoch ist seine Relevanz für das Verständnis der internationalen politischen Ökonomie des Kapitalismus, ihrer Krisen und Umbrüche?
4) Welche Konsequenzen sind aus den gegebenen Antworten für politische Praxen zu ziehen? Zieht der Autor/die Autorin/die Autoren selber welche? Sind die hinreichend begründet?

Literatur

Aus Gründen der raschen Verfügbarkeit werden Texte aus der Zeitschrift Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft (vormals: Probleme des Klassenkampfs) diskutiert. Alle Texte befinden sich in den online verfügbaren Heften unter prokla.de (->jahrgänge).
Problemaufriss:
Elmar Altvater, Der kurze Sommer des akademischen Marxismus, in: Prokla H. 146 (2007), 9-24
Regulationstheoretische Perspektiven:
Alain Lipietz, Akkumulation, Krisen und Auswege aus der Krise. Einige methodische Überlegungen zum Begriff der »Regulation«, in: Prokla H. 58 (1985), 109-137
Boy Lüthje: Vernetze Produktion und postfordistische Reproduktion. Theoretische Überlegungen am Beispiel Silicon Valley, in: Prokla H. 113 (1998), 557-588
Weltmarkttheoretische Perspektiven:
Marcel Bühler, Weltmarkt, internationale Arbeitsteilung und nationale Reproduktion. – Neuere französische Internationalisierungstheorien, in: Prokla H. 44 (1981), 139-158
Christoph Scherrer: Der »social structure of Accumulation«-Ansatz: Ein Interpretationsmodell des Aufstiegs und Niedergangs der U.S. Ökonomie, in: Prokla H. 73 (1988), 131-148
Miriam Heigl: Auf dem Weg zur finalen Krise des Kapitalismus? Weltsystemtheoretische Beiträge zur neuen Debatte um Imperialismus, in: Prokla H. 139 (2005), 267-285
Staats- und gesellschaftstheoretische Perspektiven:
Bob Jessop: Globalisierung und Nationalstaat. Imperialismus und Staat bei Nicos Poulantzas – 20 Jahre später, in: Prokla H. 116 (1999), 469-495
Christoph Görg: Plädoyer für Gesellschaftstheorie. Eine Replik auf Christoph Scherrer, in: Prokla H. 101 (1995), 625-643
Heide Gerstenberger: Fixierung und Entgrenzung. Theoretische Annährungen an die politische Form des Kapitalismus, in: Prokla H. 147 (2007), 173-197
Durchgeführte Theorien und Analysen krisenvermittelter politischer Umbrüche:
Christine Buci-Glucksmann, Sozialdemokratie und Keynesianischer Staat. Krise eines keynsianischen Modells und sozialistische Alternative, in: Prokla H. 47 (1982), 9-27
Elmar Altvater: Politische Implikationen der Krisenbereinigung – Überlegungen zu den Austerity-Tendenzen in Westeuropa, in: Prokla H. 32 (1978), 43-72
Elmar Altvater u. Kurt Hübner: Das Geld einer mittleren Hegemonialmacht – Ein kleiner Streifzug durch die ökonomische Geschichte der BRD, in: Prokla H. 73 (1988), 6-36
Heide Gerstenberger u. Ulrich Welke: Wie nationale Souveränität zu markte getragen wird, in: Prokla 139 (2005), 225-245

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:47