Universität Wien

490130 SE Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens (2015S)

Neukreation von personen-zentriertem Lehren & Lernen. Ein erstes Treffen von John Macmurray und Carl R. Rogers

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 49 - Lehrer*innenbildung
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Donnerstag 21.05. 09:45 - 16:30 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4
Donnerstag 28.05. 09:45 - 16:30 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4
Donnerstag 11.06. 09:45 - 16:30 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Der personen-zentrierte Ansatz von Carl R. Rogers ist von einem besonderen Menschenbild geprägt. Der Mensch ist laut Rogers im Kern aktiv und frei die eigenen Lebenssituationen selbstständig zu bewerten. Darüberhinaus findet der Mensch seinen Antrieb über die Selbst-Aktualisierungstendenz und vor allem durch das Bedürfnis nach positiver Wertschätzung.

Durch diesen Fokus auf den selbstständigen Menschen und dessen inneren Antrieb, schließt Rogers, dass “Lehren eine weitgehend überschätze Tätigkeit ist” (Rogers 1979: 104). Seine Kernaussage ist, dass Lernende sich selbst bestimmen können und so geht in der Lehre darum, Lernende in die Lage zu versetzten, sich selbst zu bestimmen. Dazu entwickelt er ein Konzept welches signifikantes, bedeutungsvolles und auf Erfahrung beruhendes Lernen in den Mittelpunkt stellt. Diese schließt persönliches Engagement ein, ist selbst-initiiert, durchdringt den ganzen Menschen, wird vom Lernenden selbst bewertet und das wesentliche Merkmal ist Sinn.

Neben der Wertschätzung, die Carl Rogers für dieses Neudenken von Lehren und Lernen und für seinen Einsatz für eine stille Revolution im Erziehungsbereich gegenübergebracht wurde, lassen sich auch – aus einer bestimmten Perspektive – einige zentrale Kritikpunkte formulieren.

Erstens, steht Rogers in einer langen Tradition von wert-neutralen Begriffen und einer Universalisierung von zB.: Kreativität (Jeffrey & Craft 2001). Dieser Wertneutralitäts- und Universalitätsanspruch kann vor allem in Bezug auf den Erziehungsbereich in unterschiedlicher Weise in Frage gestellt werden (Craft, Gardner & Glaxton 2008).

Rogers Antropologie und der darauf aufbauende Ansatz "overly-focuses on the individual“ (Chappell 2008: 8). Zweitens steht also der sehr starken Fokus auf das Individuum im Kontext von Lehren und Lernen als problematisch zur Debatte.

Weitere Kritik- und Anhaltspunkte zur Neukreation des personen-zentrierten Ansatz hat Hutterer (1998: 397-430) dargelegt. Unter anderen ist dabei die wichtige Differenzierung zwischen Humanismus und Humanisierung zentral. Ein personen-zentrierter Ansatz der nicht humanistisch, sondern humanisierend gedacht und umgesetzt wird, wird dem „prozesshaften Charakter und der grundsätzlichen Unabgeschlossenheit des Projekt gerecht“ (Hutterer 1998: 107)

Wie kann eine Neukreation mit Hilfe dieser Kritik- und Anhaltspunkte und mit praktischem Bezug auf Lehren & Lernen nun gedacht und umgesetzt werden? Welche Anhaltspunkte gibt es für eine Neukreation von personen-zentriertem Lehren und Lernen, welche diese Kritikpunkt implizit aufnimmt und neue Weichen für personen-zentriertes Lehren und Lernen stellt?

Eine Neukreation von personen-zentrierter Erziehung (Fielding 2007) und personen-zentriertem Lehren und Lernen kann in zweierlei Hinsicht versucht werden:
• Erstens, durch die Wertschätzung von John Macmurrays Gedanken zur Person. Macmurray bietet eine radikale Philosophie zum Verhältnis von Person und Gemeinschaft (Macmurray 1933; Macmurray 1961) an und konstruiert die Person als Akteur (Macmurray 1957).
• Zweitens, durch das Erarbeiten von zentralen Aspekten, welche Rogers abseits der Fokussierung auf das Individuum und in Bezug auf, zum Beispiel, die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden (Rogers 1979: 106), Lernen in Großgruppen (Rogers 1980: 316) und personen-zentrierten Gemeinschaften (Rogers 1980: 181) formuliert hat.

Aufbauend auf die Problematisierung des personen-zentrierten Ansatzes von Jeffrey & Craft (2001), Craft, Gardner & Glaxton (2008) und Chappell (2008) und die Kritikpunkte in Hutterer (1998) wird in diesem Seminar eine Neukreation von personen-zentriertem Lehren & Lernen als Grundlage für die Erstellung eines persönlichen Unterrichtkonzepts für den praktischen Einsatz im zukünftigen Unterricht der Teilnehmer/-innen versucht.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Literaturarbeit, Aktive Teilnahme und hohe Partizipation in den Präsenzeinheiten, Selbstreflexion und Selbstbeurteilung, Erstellung und Präsentation eines eigenen Unterrichtskonzeptes und Auskopplung einer Lernaktivität sowie Präsentation und theoretische Reflexion des Unterrichtskonzeptes in der abschließenden Seminararbeit.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

- Wesentliche theoretische Hintergründe des personen-zentrierten Ansatzes von Carl R. Rogers erarbeiten können
- Kritikfähigkeit gegenüber dem personen-zentrierten Ansatz von Carl R. Rogers entwickeln
- Möglichkeiten der Neuentwicklung zentraler Aspekte des personen-zentrierten Ansatz auf Basis von John Macmurrys Denken entdecken lernen.
- Eigene Unterrichtskonzepte auf Basis der Neukreation des personen-zentrierten Ansatzes erstellen, adaptieren und präsentieren können
- Anwendbarkeit der Konzepte für den eigenen Unterricht kritisch reflektieren und diskutieren können

Prüfungsstoff

- Person-centered learning
In a “growth-promoting climate, the learning is deeper, proceeds at a more rapid rate, and is more pervasive in the life and behavoir of the student than learning acquired in the traditional classroom. This comes about because the direction is self-chosen, the learning is self-initiated, and the whole person, with feelings and passions as well as intellect, is invested in the process.” (Rogers 1979: 74)
- Counter narratives
“Counternarratives act as a tool to: (1) challenge the perceived wisdom of subscribers of a dominant culture by providing a context to understand and transform an established belief system; and (2) open new windows into the reality of marginalised citizens by showing them the possibilities beyond where they live, and the shared aims of their struggle“. (McKay in Walsh 2012: 126)
- Multi-modal design
“This Design, in turn, is based upon the idea that in our changing times, communication and information are conveyed, more often than not, through means that are multimodal-this is, through combinations of linguistic, visual, audio, gestural, and spatial signs and symbols-rather than merely linguistic texts that presently dominate schooling” (New London Group 1996: 5)

Literatur

Craft, A., Gardner, H. & Glaxton, G. (2008) Nurturing Creativity, Wisom, and Trusteeship in Education In: Craft, A., Gardner, H. & Glaxton, G. (eds.) Creativity, Wisdom, and Trusteeship. Exploring the Role of Education, London:Corwin Press, 1-13
Chappell, K. (2008). Towards Humanising Creativity. UNESCO Observatory E-Journal Special Issue on Creativity, policy and practice discourses: productive tensions in the new millenium Volume 1, Issue 3, December 2008.
Fielding, M. (2007) The human cost and intellectual poverty of high performance schooling: radical philosophy, John Macmurray and the remaking of person‐centred education, Journal of Education Policy, 22:4, 383-409
Fielding, M. (2006) Leadership, radical student engagement and the necessity of person‐centred education, International Journal of Leadership in Education: Theory and Practice, 9:4, 299-313
Hutterer, R. (1998) Das Paradigma der Humanistischen Psychologie, Wien/NewYork:Springer
Jeffrey, B. & Craft, A. (2001) The universalisation of creativity. In: Craft, A., Jeffrey, B. & Leibling, M. (eds) Creativity in education, London:Continuum, 1-13
Macmuarry, J. (1933) Interpreting the universe, London:Faber
Macmuarry, J. (1957) The self as agent, London:Faber
Macmuarry, J. (1961) Persons in Relation, London:Faber
Macmuarry, J. (2012/1958) Learning to be Human, Oxford Review of Education, 38:6, 661-647
Rogers R. Carl (1973) Entwicklung der Persönlichkeit, Stuttgart: Klett-Cotta
Rogers R. Carl (1979) Lernen in Freiheit, München: Kösel-Verlag
Rogers R. Carl (1980) A Way of Being, Bosten: Houghton Mifflin Company

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mi 15.12.2021 00:29