Universität Wien

030549 SE Telum iacere, equum ad utendum dare: School cases in Classical Roman Law (2024S)

Their contextualization in ancient legal history

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 3 - Rechtswissenschaften
Continuous assessment of course work

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max. 20 participants
Language: German

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Aims, contents and method of the course

„Wenn aber ein Sklave getötet wurde, als einige Leute zum Spiel Speere warfen, dann ist die lex Aquilia anzuwenden. Wenn der Sklave aber, als einige auf einem Sportplatz Speerwurf übten, diesen Platz überquerte, dann ist die lex Aquilia nicht am Platz, weil der Sklave nicht zur Unzeit seinen Weg über den dem Speerwurf dienenden Übungsplatz hätte nehmen dürfen. Wer sich aber Mühe gegeben hat [den Sklaven zu treffen] und den Speer geworfen, der wird jedenfalls nach der lex Aquilia haften.“

Wenn man diesen Text aus dem Ediktskommentar des Spätklassikers Domitius Ulpianus (D. 9.2.9.4, Ulp. 18 ad ed.) unvoreingenommen liest, so könnte man sich fragen, wer hier Speer wirft und warum, oder: wie die Speere aussehen, oder: warum der Sklave den Sportplatz überquert hat. Und natürlich wäre zu erläutern, was die dreimal genannte „lex Aquilia“ bedeutet.

Einem juristisch gebildeten Publikum ist klar: Der hier in Variationen gebrachte Sachverhalt betrifft ein Problem des deliktischen Schadenersatzrechtes und die Frage seiner Anwendbarkeit. Während im Grundsachverhalt und der zweiten Variante der oder die Speerwerfer für die Tötung des Sklaven einstehen müssen, wird dies für die erste Variante verneint. Ulpian beschreibt dies sehr knapp und wörtlich mit „die lex Aquilia ist am Platz“ (Aquiliae locus est), „die lex Aqulia ist nicht am Platz“ (Aquilia cessat) und „es wird nach der lex Aquilia gehaftet werden“ (Aquilia tenebitur). Wie sich diese Ergebnisse jeweils begründen lassen, ist Aufgabe der juristischen Interpretation. Und so konnte und kann anhand des „Speerwerfer-Falls“ die Frage der Vorwerfbarkeit der rechtswidrigen Tötung des Sklaven, also: des Verschuldens, diskutiert und erläutert werden.

Gerade das Thema der Tötung oder Verletzung durch Speerwurf eignete sich besonders für didaktische Zwecke. Dies belegt auch eine Rede aus dem antiken Athen: Ganz im Stile eines moot courts gehalten, wird in der „Zweiten Tetralogie“ des athenischen Redners Antiphon (5. Jh. v. Chr.) die Haftung für unvorsätzliche Tötung diskutiert, die sich beim Sport ereignet hat.
Für den Speerwurf lassen sich aber auch ganz grundsätzliche juristische Fragestellungen formulieren wie etwa, ob dem Werfer der Wurf und dessen Erfolg auch dann zugerechnet werden kann, wenn er das angestrebte Ziel verfehlt und ein anderes trifft. Diese Diskussion der aberratio ictus ist sehr alt. Das Zwölftafelgesetz, jenes kodifizierte Gewohnheitsrecht aus der Mitte des 5. Jh. v. Chr., kennt so eine Bestimmung, wonach der Speer selbst als der Täter angesehen wurde, wenn er dem Werfer entglitten ist und einen Verletzungserfolg zeitigte. Als Täter aber konnte ein Speer auch bestraft werden, wie eine Diskussion wieder aus dem klassischen Athen und vor allem aber die Tatsache beweisen, dass es für die Bestrafung von Sachen einen eigenen Strafgerichtshof gegeben hatte.

Ein anderes Beispiel ist der (nach der Gemeinde Aricia [heute Ariccia in Latium]) sogenannte im „Aricia-Fall“: Über Jahrhunderte diskutieren die Juristen anhand der Leihe eines Pferdes, um damit bis nach Aricia zu reiten, inwiefern ein Diebstahlsdelikt vorläge, wenn der Leihnehmer über Aricia hinaus reitet. Ein weiteres prominentes, in den Digesten gleich dreimal überliefertes Schulbeispiel wiederum betrifft den Doppelverkauf einer Sache vom (ursprünglich) Nichtberechtigten.

Neben Fragmenten aus den Digesten sollen dabei auch ausgewählte „fiktiven Prozessreden (declamationes)“ berücksichtigt werden, welche dem kaiserzeitlichen, römischen Autors Marcus Fabius Quintilianus (35-96 n. Chr.) zugeschrieben werden, wohl aber aus seiner Schule stammen. Mit den declamationes liegt eine ganze Sammlung von Sachverhalten vor, welche zu rhetorisch-didaktischen Zwecken konzipiert worden waren und sich sehr gut dazu eignen, auf ihren juristischen Gehalt untersucht zu werden.

Assessment and permitted materials

Für den Erwerb eines Zeugnisses ist ein Referat (ca. 20-30 Minuten) zu halten und anschließend eine Diskussion darüber zu führen; für das Diplomandenseminar ist ferner eine schriftliche Arbeit zu dem Referat zu verfassen. Details dazu werden in der ersten Einheit bekanntgegeben werden.

Wichtig ist mir die Diskussion der einzelnen Beiträge und vor allem die Diskussion der Studierenden miteinander - im angestrebten Idealfall muss ich als LV-Leiter nur mehr moderieren. Die Referate dienen dabei als Impuls.

Minimum requirements and assessment criteria

Neben der eigenen Präsentation wird eine regelmäßige Anwesenheit an den Sitzungen sowie rege Beteiligung an der Diskussion verlangt.

Wer trotz Anmeldung unbegründet nicht im Seminar erscheint, muss mit einer negativen Beurteilung rechnen.

Examination topics

Grundlage der Beurteilung ist die Präsentation des gewählten Themas. Die Liste von Schulfällen lässt sich dabei beliebig verlängern. Im Mittelpunkt der Referate soll die Analyse juristischer Texte stehen. Bei der Behandlung der einzelnen Themen soll einerseits der jeweilige Sachverhalt näher in Augenschein genommen und etwa berücksichtigt werden, ob und warum es in Bezug auf seine Überlieferung Variationen gibt. Darüber hinaus können die Fragestellungen in einem größeren Kontext betrachtet und etwa in Bezug auf mögliche griechische Vorbilder oder Parallelen untersucht werden. Anhand der zu erörternden Rechtsfrage und Ihrer Beantwortung könnte aber auch überlegt werden, inwiefern ein Schulfall „funktioniert“, also geeignet ist, komplexe juristische Lösungen zu vermitteln.

Reading list

Wird themenspezifisch ausgegeben werden. Von den Studierenden wird ferner erwartet, eigenständig Literatur-Recherche zu betreiben.

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Last modified: Fr 23.02.2024 13:25