090014 VU Ancient History and Classical Studies (2025S)

Inhalt und Fragestellung: Tacitus zählt zu den herausragenden Historikern des Altertums. Seine Werke erfüllen einen hohen intellektuellen und literarischen Anspruch und sind bis heute eine aufregende Lektüre. Wir verdanken Tacitus eine kenntnis- und detailreiche "annalistische" Schilderung der Geschichte des frühen Prinzipats vom Tod seines Begründers Augustus bis in die Zeit Domitians. Zugleich war Tacitus als "Analyst" scharfer Kritiker der politisch-ideologischen Strukturen des Prinzipats. Im Zentrum stand dabei für ihn der Widerspruch zwischen republikanischer Freiheit (libertas) und autokratischer Gewalt- und Willkürherrschaft (dominatio) und die Frage, ob und wie dieser überbrücken ließ.

Die LV zielt darauf ab, die Werke des Tacitus unter verschiedenen thematischen Perspektiven zu erschließen, so unter anderem der Intrigen und Machtkämpfe im Kaiserhaus, der Charakterbilder und Psychogramme der wichtigsten männlichen und weiblichen Akteure (und die in diesen Beschreibungen erkennbaren stereotypen Denkmuster), der politischen Rolle der einzelnen Gesellschaftsgruppen (v.a. Senatoren, Ritter, Militär und Plebs), der systemischen Schwächen des Prinzipats, der Grundlagen des römischen Imperialismus, ferner der Beschreibung fremder Kulturen und Religionen in den ethnographischen Exkursen (Germanen, Juden etc.), der nur indirekt greifbaren Selbstwahrnehmung und Identität des Autors, schließlich der bereits in der Antike einsetzenden Rezeptions- und Wirkungsgeschichte sowie der Überlieferungs- und Forschungsgeschichte zum taciteischen Oeuvre.

Bei allen in der LV behandelten antiken Texten werden wir uns auf eine deutsche oder englische Übersetzung stützen; parallel hierzu wird auch der Originaltext in die Analyse einbezogen. Kenntnisse von Latein sind zwar von Vorteil, bilden aber keine Voraussetzung für einen erfolgreichen Besuch der LV.

Ziele (allgemein):Analyse von antiken historiographischen Quellen (Überlieferung, Urheber, Inhalt, Intention, Tendenz, Narrativ und Diskurse etc.); Reflektion über Quellenwert und vergleichende Quellenbetrachtung; Erfassung und Wiedergabe von moderner Fachliteratur und Forschungsdebatten; Reflektion über die Bedeutung von Forschungsgeschichte; Vorbereiten einer Präsentation und Abhalten eines Kurzreferats; wissenschaftliche Diskussion.

Methode: Die LV verbindet das Format der Vorlesung und der Übung. Im ersten Teil des Semesters (März-April) wird der LV-Leiter die Grundlagen der Thematik im Vorlesungsmodus präsentieren (Frontalvortrag + Diskussion). Im zweiten Teil des Semesters (Mai-Juni) sollen die Teilnehmer*innen einzelne für die Thematik bedeutsame Textabschnitte aus den Werken des Tacitus analysieren und die Ergebnisse ihrer Analyse präsentieren und zur Diskussion stellen. Sie werden dabei vom LV-Leiter in zusätzlichen Individual- oder Gruppentreffen unabhängig von den LV Einheiten angeleitet und unterstützt.

Genauere Angaben zum Aufbau der LV und zum Semesterprogramm sind ab 1. März über Moodle abrufbar.