100013 VO Lecture course: Modern German Literature (2009W)

Die Geschichte des Verhältnisses von Literaturwissenschaft und Sprechakttheorie ist eine wenig glückliche. Gleich zu Beginn steht Austins These, daß sich Literatur »parasitär« zum Sprechen verhalte; in der Folge hat sich der Einspruch gegen diese Annahme über die sogenannte »Searle-Derrida-Debatte« primär sprachphilosophisch zugespitzt. Die entsprechende literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung, die sich mit so prominenten Namen wie Joseph Hillis Miller oder Shoshana Felman verbindet, hat den deutschen Sprachraum kaum erreicht. Die Vorlesung soll - in Engführung theoretischer Positionen und literarischer Texte - die Reichweite dieses Versäumnisses exemplarisch skizzieren. Warum sollte Rede nicht der Literatur erster Gegenstand sein? Vom Stottern bis zum Murren, vom Sprechen bis zum Schrei, von der anarchischen Sprachhandlung bis hin zum institutionellen Ritual, ist die Literatur ein unendliches, gleicherweise historisch präzises Universum an Beispielen, Mustern und Strategien geglückter wie fehlgeleiterter oder ungeglückter Rede.
Literatur: John Langshaw Austin: Zur Theorie der Sprechakte [How to Do Things with Words]. Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny. Stuttgart 2002 (Reclams Universalbibliothek 9396)
Sybille Krämer (Hg.): Sprache, Sprechakt, Kommunikation. Frankfurt am Main 2001 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1521)