110045 VO Media Studies Lecture - Spanish (2008W)

Fernsehgeschichtsschreibung ist in Spanien ein Forschungsgebiet, das in jüngster Zeit besondere Aufmerksamkeit genießt. Die Fernsehanstalten haben zwar viele ihrer Produktionen vernichtet oder allenfalls unsystematisch aufbewahrt. Die nationalen Archive konnten aber in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Dokumente der Fernsehgeschichte vor ihrer Zerstörung bewahren und somit eine Grundlage für eine historische Aufarbeitung schaffen. Außerdem sind Fernsehzeitschriften und Filmkritiken Zeugnisse vergangener Produktionen. Die Geschichte technischer Erfindungen wird immer begleitet von apokalyptischen oder euphorischen Visionen über die Zukunft eines neuen Mediums. Die Presse spielt bei diesem Meinungsaustausch eine entscheidende Rolle. So herrschte in Spanien die merkwürdige Situation, dass in Fachzeitschriften über die Zukunft des Fernsehens viele Jahre vor seinem Einsatz für ein breites Publikum diskutiert wurde. Technische Fragen standen zuerst im Vordergrund, später die Möglichkeiten zur Verbreitung von Nachrichten. Bis dahin hatten die meisten Menschen in Spanien noch nie ein Fernsehbild gesehen. Wann beginnt also die Geschichte des spanischen Fernsehens? Einige Besonderheiten erschweren den wissenschaftlichen Umgang mit dem Fernsehen nach wie vor: Fernsehen gilt als ein unwürdiger Gegenstand, weil es nur in geringem Maße der Verbreitung von kanonisierten Werken dient. Zweitens sind die meisten Produktionen des Fernsehens für den schnellen Konsum gedacht. Drittens fehlt den meisten Fernsehproduktionen die Geschlossenheit von Kunstwerken, deren Wohlgeformtheit ein wesentliches Merkmal ihres Wertes ist. Das Fernsehen beginnt aber mittlerweile seine eigene Geschichte aufzugreifen. Sendeformate werden in aktualisierter Form wieder gezeigt. Die Generationen eines früheren Fernsehpublikums haben ein Gedächtnis ihrer Fernseherfahrungen entwickelt und verlangen nach der Begegnung mit ihren Erinnerungen.