Universität Wien

160122 PS Theory of Literature around 1800 (2009W)

Continuous assessment of course work

Details

Language: German

Lecturers

Classes (iCal) - next class is marked with N

Monday 05.10. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 12.10. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 19.10. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 09.11. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 16.11. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 23.11. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 30.11. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 07.12. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 14.12. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 11.01. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 18.01. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG
Monday 25.01. 13:15 - 14:45 Hörsaal Berggasse 11 EG

Information

Aims, contents and method of the course

Die Um-Schrift des Absoluten - Literaturtheorie um 1800

An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert kam, um es pointiert zu formulieren, die Literatur zu sich selbst, freilich zu einem sehr seltsamen Selbst, das, durch die verdoppelnde Rückbeugung aufs Eigentliche, nicht mehr ganz bei sich war und schon gar nicht mehr bei Trost: Literatur, sich einmal ihres Unbewussten bewusst geworden, sah sich, in ihrer poetischen Selbstbespiegelung, mit der paradoxalen Aufgabe konfrontiert, der unendlichen Abgründigkeit der Sprache und des sprechenden Subjekts auf den Grund zu gehen. Von nun an leitete, ob man wollte oder nicht, das Licht der Aufklärung, das so hoffnungsfroh am Horizont der Zukunft erschienen war, auch ins Innerste des Menschen und damit in einen unheimlichen und trostlosen "Schacht von Babel" (wie Kafka hundert Jahre später dieses niemals endende Unterwegs-Sein des Menschen zur Sprache bezeichnete). Was in den zwei Jahrzehnten um 1800 an literaturtheoretischen Überlegungen geleistet wurde, ist somit nichts Geringeres als das erkenntnis- und sprachkritische Fundament der ästhetischen Moderne, wobei diese bodenlose Basis gerade darin ihre unüberwindbare Radikalität und Stärke hat, dass sie den Bruch, den Mangel an Sein, als konstitutives Element in sich trägt, ihn bewusst er- und austrägt, anstatt ihn zu verleugnen, und bis heute bildet dieses Denken des Mangels, die melancholische Gewissheit, dass wir - nach einem berühmten Wort Novalis - "überall das Unbedingte suchen und immer nur die Dinge finden", den intellektuellen Dynamo der literarischen und philosophischen Avantgarde. Die von den Frühromantikern eröffnete Perspektive ist, trotz ihrer deklarierten Liebe zur Verwirrung, klar: Literatur ist ein Unding, so real wie irreal, Absage an die Wirklichkeit und zugleich deren Erkenntnis. Literatur muss, im strengsten Sinn ihres pro- und aggressiven Anspruchs, stets unbegreifbar bleiben, d. h. sie muss unaufhörlich, während sie spricht, über sich selbst, auf die Bedingungen ihres (Ver)Sprechens, hinausweisen (Stichworte: Ironie, Allegorie, Fragment, Transzendentalpoesie, Reflexionsprosa, produktive...), will sie der Philosophie ein kongeniales Kontrastmittel sein, das den Menschen in seiner existentiellen Ungeheuerlichkeit (poststrukturalistisch formuliert: das gespaltene, dezentrierte Subjekt) adäquat umschreibt. Wahrheit, gesetzt als Wider-Schein des Absoluten, ist nur als dialektischer Prozess denkbar und nur als permanente Um-Schrift zu haben: diese radikalkritische Erkenntnis wurde um 1800 erstmals in all ihren literarischen wie philosophischen Facetten ausformuliert.

Assessment and permitted materials

Textlektüre; Referat/Diskussionsbeitrag; schriftliche Arbeit

Minimum requirements and assessment criteria

Das theoretische Kaleidoskop, das in der Lehrveranstaltung vermittelt werden soll, umfasst zum einen die poetologischen Reflexionen der Frühromantiker (Schlegel, Novalis, Tieck, Brentano, Jean Paul, Hölderlin...), zum anderen die Ästhetik des deutschen Idealismus (Kant, Schelling, Hegel) und der Klassik (Goethe, Schiller) sowie die Hermeneutik Schleiermachers und die sprachphilosophischen Überlegungen von Herder, Humboldt und Hamann.
Doch nicht nur Theorie steht auf dem Programm; auch die Frage, wie die theoretischen Konzepte der damaligen Zeit in die poetische Form, vor allem in den Roman, übersetzt wurden, soll parallel dazu erörtert werden (Goethes "Wilhelm Meister", Tiecks "Der gestiefelte Kater" und "Wilhelm Lovell", Bonaventuras "Nachtwachen", Novalis "Heinrich von Ofterdingen", Schlegels "Lucinde", Jean Pauls "Siebenkäs", Hölderlins "Hyperion", Brentanos "Godwi" etc. bilden hier den Kanon).
Und da es sich um eine komparatistische Lehrveranstaltung handelt, wird auch die Idee der "Weltliteratur" immer wieder im Zentrum der Analyse stehen, sind doch die Vorbilder, nach denen sich die progressivsten Schriftsteller der damaligen Zeit richteten, so international wie namhaft (Shakespeare, Cervantes, Dante, Rousseau, Swift, Sterne, um nur ein paar zu nennen). Eine besondere Berücksichtigung, sei hier noch angemerkt, soll schließlich auch dem Phänomen der "schwarzen Romantik" zukommen, deren Wurzeln ebenfalls im ausgehenden 18. Jahrhundert liegen: sowohl die Erfindung des Schauerromans als auch Sades hypertrophes Werk kann als unleugbares literarisches Symptom für die "transzendentale Obdachlosigkeit" gelesen werden, von der Georg Lukács im Zusammenhang mit der Romantheorie der Romantiker gesprochen hat: endgültig sind Gott und Geist gespenstisch, Welt und Wort unheimlich, Mensch und Moral monströs geworden.

Examination topics

Reading list


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Diplomstudium VL 113,
BA M3

Last modified: Mo 07.09.2020 15:35