170180 SE Seminar: Circulations of the Political (2013W)

Künstlerkolonien und Kommunen: Rückzug ins Paradies, Methodenzwang und Kunstproduktion

"Inspiriert durch Freud und vor allem Wilhelm Reich, hatten wir das Ziel, neue, freiere Menschen zu werden", schreibt eine Kommunardin der Berliner Kommune II. Die Attraktivität des Kommunenmodells wurde durch die politisierte Psychoanalyse erhöht, die als politische Arbeit am Individuum in der Gruppe verstanden wurde. Antiautoritär und als sexuelle Lebens und Arbeits / Kunstgemeinschaft sollte die gelebte freie Sexualität Lebenslust und Arbeitskraft verschaffen, die Bürden der bürgerlichen Gesellschaft hinwegfegen. Im Zustand der Nacktheit, des Rausches sollten alle Standesunterschiede beseitigt werden. Eine klassenlos kollektive, nicht-patriarchalische Gesellschaft sollte errichtet werden.
Ausgehend von der internationalen Künstlerkolonie in Ascona sollen die Landkommunen, Kommune I, Kommune II und die Aktionsanalytische Kommune Friedrichshof (Zurndorf) als gesellschaftskritisches Potential in den Blick genommen werden, ihre ästhetischen Strategien und Kunstproduktionen kritisch hinterfragt werden. Personen wie Giovanni Rossi, Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel, Otto Mühl stürzten für bestimmte Zeit die gültige Weltordnung um, praktizierten neue Lebenstechniken. Im Vertrauen auf eine bessere Gesellschaftsstruktur wurden Frei / Räume geschaffen, Situationen zwischen Zweckentfremdung und Wirklichkeitsaneignung konstruiert. Künstlerische Verfahren wurden benötigt, um neue Stimmungen und Begierden zu schaffen. Waren die sprachlichen Exerzitien, theoretischen Begründungen und persönlichen Geständnisse in der Kommune I die beherrschenden Ausdrucksmittel, standen diesen in der AA Kommune um Otto Mühl der körperliche Ausdruck, die emotionale Erregung, der Schrei, die Ekstase gegenüber. Die Kommune I präsentierte sich als ununterbrochene spektakuläre Show, in der alles aufgezeichnet wurde, doch anstelle der Kameras wie in der AA Kommune Friedrichshof waren in der Kommune I/II Journalisten, Passanten und Beamte die Öffentlichkeit.