Universität Wien

180117 VO-L Common sense (2013W)

"Sozialkapital" als Grundlagendiskurs der Wirtschaftsethik

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

Details

Language: German

Examination dates

Lecturers

Classes (iCal) - next class is marked with N

Wednesday 16.10. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 23.10. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 30.10. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 06.11. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 13.11. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 20.11. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 27.11. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 04.12. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 11.12. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 18.12. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 08.01. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 15.01. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 22.01. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock
Wednesday 29.01. 09:00 - 11:00 Hörsaal 3B NIG 3.Stock

Information

Aims, contents and method of the course

1. Reflexivität und gemeinschaftlicher Sinn. Einer der Reflexionstypen, die es ermöglichen, von der Verfolgung des eigenen Interesses zur Einbeziehung des allgemeinen Interesses überzugehen, ist der sensus communis. Darunter versteht Kant (1790, §40) die Anwendung des transzendentalen Prinzips der reflexiven Urteilskraft in Form eines Denk- und Verhaltensstils. Die erweiterte Denkungsart besteht darin, Techniken zu entwickeln, das eigene Interesse zu verallgemeinern, indem man sich nicht nur strategisch in den Standpunkt des anderen hineinversetzt.

2. Vermittlung individueller und allgemeiner Interessen. Die Entwicklung von Techniken der Verallgemeinerung des eigenen Interesses jenseits der formalen Sicht der Grenznutzenlehre und der Verantwortungsethik scheint eine Kernaufgabe der Wirtschaftsethik als Bereich der angewandten Ethik zu sein. Wie lassen sich individuelle Ziele verwirklichen, indem man die Interessen der anderen reflektiert und sich im besten Fall mit diesen verbindet (Hirschman 1988)? Diese Frage wurde in den letzten Jahrzehnten etwa unter dem Begriff der Allmende diskutiert und empirisch erforscht (Ostrom 1999). Ein Konzept zur Betrachtung von Handeln als in Beziehungen eingebundener Ressource, das in jüngerer Zeit in vielen höchst unterschiedlichen Studien und Publikationen verwendet wurde, ist das des Sozialkapitals (Field 2008).

3. Sozialkapital als Gestaltung von Beziehungen. Die Vorlesung besteht in einer kritischen Annäherung an diesen vieldeutigen Begriff (Koob 2007) aus Sicht wirtschaftsethischer Positionen. Was ändert sich mit dem Blick auf wirtschaftliches Handeln, wenn man dieses von einer Betrachtung der Gestaltung von Beziehungen aus analysiert? Einerseits deckt Sozialkapital seinem Inhalt nach den zweckrational verstandenen Einsatz von Beziehungen ab (Coleman 1988, Bourdieu 1983, Burt 2005). Andererseits sind mit Sozialkapital auch die Gestaltungspotenziale von Gemeinschaften, öffentlichen und privaten Institutionen und Unternehmen gemeint, im Sinne eines durch Regeln und Normen bestimmten Interaktionsrahmens, der kollektive Identitäten schafft (Putnam 2001) und soziale Produktionsprozesse in der Wissensökonomie vorantreibt (Benkler 2006).

Erlaubt der Begriff des Sozialkapitals, den Entwicklungsprozess zu rekonstruieren, der vom Eigeninteresse zum Interesse der Allgemeinheit führt? Werden damit Praktiken benannt, die zwischen den beiden abstrakten Polen im Sinne des Gemeinsinns konkret zu vermitteln vermögen?

Assessment and permitted materials

- Badura, B. (2008): Sozialkapital. Grundlagen von Gesundheit und Unternehmenserfolg. Berlin: Springer.
- Benkler, Y. (2006): The wealth of networks. How social production transforms markets and freedom. New Haven: Yale University Press.
- Bourdieu, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Reinhard Kreckel (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen: Schwartz, S. 183-198.
- Burt, R. (2005): Brokerage and Closure. An introduction to social capital. Oxford: Oxford University Press.
- Coleman, J. S. (1988): Social capital in the creation of human capital. In: American journal of sociology 94, 95-120.
- Field, J. (2008): Social Capital. London: Routledge.
- Hirschman, A. O. (1988): Engagement und Enttäuschung. Über das Schwanken der Bürger zwischen Privatwohl und Gemeinwohl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
- Kant, I. (1790): Kritik der Urteilskraft. In: Werke, hg. von W. Weischedel, Band 8. Darmstadt: WBG 1983.
- Knoepffler, N. (2010): Angewandte Ethik. Ein systematischer Leitfaden. Wien: Böhler.
- Koob, D. (2007): Sozialkapital zur Sprache gebracht. Eine bedeutungstheoretische Perspektive auf ein sozialwissenschaftliches Begriffs- und Theorieproblem. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen.
- Koslowski, P. (1988): Prinzipien der Ethischen Ökonomie. Tübingen: Mohr Siebeck.
- Nehring, R. (2010): Kritik des common sense: gesunder Menschenverstand, reflektierende Urteilskraft und Gemeinsinn. Berlin: Duncker & Humblot.
- Ostrom, E. (1999): Die Verfassung der Allmende. Tübingen: Mohr Siebeck.
- Putnam, R. D. (2001): Gesellschaft und Gemeinsinn. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.
- Sen, A. K. (1988): On ethics and economics. Oxford: Blackwell.
- Wanninger, T. (1998): Gemeinsinn. Ein Beitrag zur Pädagogik der Urteilskraft aus der Philosophie des sensus communis. Bayreuth: Univ., Diss.

Minimum requirements and assessment criteria

Die LV soll die Studierenden an analytische Instrumente heranführen, die es ihnen erlauben, die philosophische Ebene ökonomischer oder sozialwissenschaftlicher Thematiken zu erkennen. Damit sollen anhand eines konkreten Bereichs grundlegende Fragen und Methoden der angewandten Ethik vermitteln werden (Knoepffler 2010). Darüber hinaus soll das Verständnis dafür geschärft werden, welchen Wandel menschliche Beziehungen und der Wert der Zugehörigkeit zu Gruppen, Gemeinschaften und Netzwerken in den letzten Jahrzehnten vor allem durch die Entwicklung der neuen Kommunikationstechnologien und insbesondere der Social Media durchgemacht haben. In diesem Sinne geht es um eine differenzierte, weder naive noch moralisierende Reflexion über die Bedeutung der Gestaltung von Beziehungen heute und deren Implikationen für das Ausbildungssystem (Bourdieu, Coleman, Wanninger 1998), Unternehmen (Cohen/Prusak 2001, Badura 2008, Fuchs 2005) und öffentliche Institutionen (vgl. die von der OECD und Weltbank beauftragten Studien zum Sozialkapital).

Examination topics

Die Vorlesung wird sich in 5 Abschnitte gliedern, die jeweils drei Termine in Anspruch nehmen. Gemäß dem Format wird der Schwerpunkt auf dem Vortrag liegen. Dieser soll allerdings durch Reflexion in Gruppen ergänzt werden, sodass die Möglichkeit besteht, die vorgetragenen Positionen bereits in der LV reflexiv zu verarbeiten.

Darüber hinaus soll die Moodle-Plattform dazu benutzt werden, nicht nur die durch den Vortragenden erstellten Lehrinhalte zugänglich zu machen (Manuskripte zu den Vorlesungen werden jeweils auf die Plattform gestellt), sondern über Foren und Links zu relevanten Artikeln, Podcasts usw. eine breite Auseinandersetzung und Diskussion zu fördern. Die Beiträge der Studierenden zu den Diskussionen sollen nach Möglichkeit in die Benotung Eingang finden.

Reading list


Association in the course directory

BA M 12, PP 57.3.5, EC 2.2

Last modified: Sa 10.09.2022 00:19