Universität Wien

180181 VO For potential for violence "unconditional claims" in the tension between law Dilemma (2015W)

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

Bis heute stellt sich das Problem, ob das politische Leben nicht von allen unbedingten bzw. absoluten Ansprüchen frei gehalten werden muss, sofern diese scheinbar keinerlei Kompromiss gestatten. Und tatsächlich herrscht die Meinung vor, dass Ansprüche, die für absolut oder unverzichtbar gehalten werden, schlimmste Formen der Gewalt heraufbeschwören. Deshalb wird häufig konsequenter Verzicht auf ontologische Wahrheiten als Fun­­damente des Politischen verlangt und behauptet, längst müsse jeglicher unbedingte Wahrheitsanspruch als desavouiert gelten und nichts sei derart gefährlich wie ein Anspruch auf angeblich Gemeinschaft begründende Wahrheit. Andere halten dagegen nach wie vor die Suche nach einer letztlich auch im politischen Leben zu bewährenden Wahrheit für unverzichtbar. Weniger unter Berufung auf derartige Wahrheiten als vielmehr auf unbedingte bzw. als unverzichtbar geltende Ansprüche ist jedoch immer wieder bestritten worden, dass das Politische sich auf ein Geschäft von Verhandlungen und Kompromissen bzw. einen (mehr oder minder geregelten) "Kampf um Anerkennung" reduzieren lasse.
In diesem Sinne war vom Anspruch des Anderen die Rede, oft mit Bezug auf Levinas, dem man aber vorwarf, diesen Anspruch ethisch zu hypostasieren und ihm das Politische gewaltsam unterwerfen zu wollen. Ähnliche Probleme wirft das individuelle Verlangen nach einem lebbaren Leben auf, wie es Butler beschrieben hat, oder auch der Anspruch auf ein würdiges bzw. nicht entwürdigendes (Shklar, Margalit) und anerkanntes (Hegel, Honneth) Leben. Vom Anspruch darauf, wenigstens wahrgenommen zu werden und insofern politisch zu zählen (Rancière) über den Anspruch, nicht grausam behandelt oder gedemütigt zu werden, bis hin zur Rücksicht und zur Anerkennung kommt darüber hinaus vieles in Betracht, was unabdingbar gelten kann. Solchen Ansprüchen und dem Widerstreit von ethischem Anspruch und normativem politischen Kalkül, der sich in ihnen verkörpert, wird im Rahmen der Vorlesung nachgespürt.

Details

Language: German

Examination dates

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Friday 16.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 23.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 30.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 06.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 13.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
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Friday 27.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 04.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 11.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 18.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 08.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 15.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 22.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228
Friday 29.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 2i NIG 2.Stock C0228

Information

Aims, contents and method of the course

(1) Einführung in den Themenkreis
(2) Philosophische Rahmenbestimmungen: Gewalt als philosophisches Problem: Zur Verortung des Gewaltdiskurses zwischen Philosophie, Sozial- und Humanwissenschaften
(3) Sozialphänomenologische Grundlagen und Begriffe: "Anspruch" und "Antwort" als Grundphänomene einer Phänomenologie der Sozialwelt
(4) Philosophiehistorische Vergegenwärtigung: Figuren und Konzepte des "Unbedingten"
(5,6) 2 Paradigmen: "Kampf um Anerkennung" oder "Anspruch des Anderen" (Hegel, Sartre, Honneth "vs." Fanon, Levinas, Derrida)
(7,8,9) Der Fremde, der Gast: Aporien der Gastlichkeit (Kant, Arendt, Levinas, Derrida, Benhabib)
(10,11,12) Das "Unbehagen am Säkularismus": Habermas, Taylor und Margalit und das Problem "religiöser Gewalt"
(13) Ausblick auf weitere Themenfelder und Schlussreflexion

Assessment and permitted materials

Schriftliche Prüfung

Minimum requirements and assessment criteria

Die VO wird den aufgeworfenen Fragen anhand konkreter Konstellationen, in denen normatives Politikverständnis bzw. Rechtsdiskurs und subjektiv erlebter ethischer Anspruch bzw. Erfahrungen der Ungerechtigkeit oder Entwürdigung aufeinanderprallen. Zur Kontextualisierung dieses explosiven theoretischen Zusammenhangs soll auf Debatten um den (Kampf gegen den) Terrorismus, die Rolle der Religion in der sog. "postsäkularen Gesellschaft" und die Frage eines "europäischen Ethos der Gastlichkeit", das angesichts aktueller Ereignisse an Europas inneren und äußeren Grenzen in Frage steht, eingegangen werden. Die zu berücksichtigenden Fälle erstrecken sich hier auf Erfahrungen der Ungerechtigkeit, (multiplen) Exklusion, Entwürdigung, Verkennung, Profanierung, Diskriminierung und Verletzung sowie die korrespondierenden „Antwortlogiken“, die von instrumenteller Gewalt, über Hungerstreik, Selbstmordattentate bis hin zu — neuerdings wieder vermehrt praktizierten — Selbstverbrennungen und Massengewalt reichen. Die Intention der LV besteht darin, die allzu schroffe Alternative zwischen gewaltträchtigem Insistieren auf Wahr­heit im Zeichen einer "Ethik als Erster Philosophie" (Levinas) vs. Pazifizierung des politischen Lebens im Medium des Rechts um den Preis jeglicher Wahr­heit zu hinterfragen. Damit verbindet sich eine Anfrage an gängige Ethikkonzeptionen, deren Tragfähigkeit im Lichte des Problems in praktischer Hinsicht auf die Probegestellt wird.

Examination topics

Vortrag mit ausführlicher Gelegenheit zur Diskussion.

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BA M 6.4

Last modified: Sa 10.09.2022 00:19