Universität Wien

240050 SE FM1 - Research Seminar (Part 1) (2021W)

Decolonial exploration of the city as methods and mediation practice

Continuous assessment of course work
MIXED

Registration/Deregistration

Note: The time of your registration within the registration period has no effect on the allocation of places (no first come, first served).

Details

max. 20 participants
Language: German

Lecturers

Classes (iCal) - next class is marked with N

The preliminary meeting (6th of October!) is planned to be digital, a link will be announced in due time. Everything else about the procedures of the research seminar and the possible forms of teaching at this point of time will be discussed there.

  • Wednesday 06.10. 09:00 - 11:00 Digital
  • Wednesday 13.10. 09:00 - 12:00 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Wednesday 27.10. 09:00 - 12:00 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Wednesday 10.11. 09:00 - 12:00 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Wednesday 24.11. 09:00 - 12:00 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Wednesday 15.12. 09:00 - 12:00 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1
  • Wednesday 19.01. 09:00 - 12:00 Seminarraum SG2 Internationale Entwicklung, Sensengasse 3, Bauteil 1

Information

Aims, contents and method of the course

Innerhalb der letzten Jahre findet eine wachsende akademische Auseinandersetzung mit der Problematik der Dekolonisierung von Methoden bzw. Universitäten statt (Denzin/Lincoln/Smith 2008; Chilisea 2012; Decolonialty Europe 2013; Mbembe 2016; Santos 2016). In diesem Prozess wird die Universität als gesellschaftlicher Ort epistemischer Machtverhältnisse einer Kritik unterzogen, die sich auf die historischen Strukturen kolonialer Gewalt und die damit zusammenhängende Hierarchisierung und Exklusion von Wissen bezieht (Quijano 2000; Quijano 2007; Santos 2007; Grosfoguel 2015)

Nicht nur die Universitäten, sondern soziale Räume insgesamt sind von kolonialen Strukturen, rassistischen, klassenspezifischen, geschlechtsspezifischen, heteronormativen, epistemischen und anderen Herrschaftsverhältnissen konstituiert – und von den Widerständen gegen sie. Auch der soziale Raum der Stadt, den auch wir als Forscher*innen und Studierende an Universitäten in Wien alltäglich erfahren und herstellen, ist ein solcher Machtraum. Er ist geprägt durch sich überlagernde zeitliche Strukturen und Praktiken der Verfolgung, der Exklusion, der Ausbeutung und der Kämpfe dagegen. Er ist geprägt durch asymmetrische, hierarchische räumliche Praktiken, in denen bestimmte Gruppen privilegiert und handlungs- bzw. bewegungsfähig gemacht werden und andere gehemmt und ausgeschlossen werden.

Diese kolonialen Räume, Zeiten und sozialen Praktiken in Wien können nur durch eine dekoloniale Methodenpraxis identifizierbar und sichtbar gemacht werden. Dazu ist es notwendig, dass sich die Forscher*innen und ihre Körper selbst -in einer dekolonial reflektierten Beziehung zu ihrem Forschungsthema, ihrer Fragestellung, ihren Forschungspartner*innen- in die sozialen, räumlichen und zeitlichen Kontexte dieses Machtraums begeben, dass sie mobil werden und sich aus den Hörsälen herausbewegen. Wir wollen in diesem Zusammenhang mit den Teilnehmenden in einem gemeinsamen Prozess eine dekoloniale methodische Praxis entwickeln, die wir als dekoloniale Stadterkundung bezeichnen und die sich auf räumliche und zeitliche Bewegungen durch den urbanen Raum Wiens bezieht. Das betrifft sowohl die analytische Dimension (als kritische Bewegung in den Archiven, in der historisch gebauten Infrastruktur und ihren Macht- und Befreiungsverhältnissen, in den marginalisierten Zonen der Ausgeschlossenen, an den historischen Orten der Verfolgung und der Widerstände dagegen bzw. in den kolonialen Praktiken und Strukturen der Repäsentation, Markierung, Deportation etc.), als auch die Dimension einer angemessenen Vermittlung, einer Sichtbarmachung dessen, was in der hegemonialen und privilegierten Bewegung im städtischen Alltag unsichtbar und verworfen ist. Eine Stadterkundung bezieht sich auf diese beide Dimensionen: Auf die Herstellung von analytischen Einsichten und Beziehungen zu unterdrückten Wissens- und Bewegungsformen und auf die performative Praxis, konkrete Orte und Stationen im urbanen Raum als Orte der Macht, Unterdrückung und des Widerstands in die Zone der Sichtbarkeit zu holen, sie zu resignifizieren, ihren historischen Kontext klarzumachen bzw. die verändernde Kraft, die aus ihren sozialräumlichen Praktiken erwächst, zu stärken und sich mit dieser zu verbinden. Diese Sichtbarmachung historischer und gegenwärtiger Machtverhältnisse werden die einzelnen Arbeitsgruppen des Seminars in Form von performativen Spaziergängen durch die Stadt herausarbeiten, in Interaktion mit anderen Menschen in diesen Alltagskontexten (Partizipierende an diesen Rundgängen, aber auch einfache Passant*innen). Die so provozierte Irritation soll zur Reflexion und zur Veränderung dieser Strukturen beitragen.

Dekoloniale Stadterkundungen eignen sich die Praxis von Stadtführungen oder Stadtspaziergängen auf eine kritisch-befreiende Weise an, sie bewegen sich an der bzw. überschreiten die Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Praxis, künstlerisch-performativer Praxis und politischer Aktion und Intervention

Assessment and permitted materials

Zentral ist der gemeinsame Reflexions- und Diskussionsprozess im Plenum des Seminars sowie in den Arbeitsgruppen von jeweils 3-4 Personen, in denen die Teilnehmenden zusammen zu konkreten Themen und Orten arbeiten werden. Das Ziel ist es, dass jede dieser Gruppen im Laufe der zwei Semester eine gemeinsame dekoloniale Stadterkundung erarbeitet, sowohl was die analytische Erforschung der konkreten historischen, räumlichen und gegenwärtigen sozialen Kontexte als auch was die performative und küstlerische Umsetzung dieses dekolonial verstandenen Prozesses der Lernens und Ver-Lernens betrifft. Dabei gehen wir von einem methodischen und performativen Pluralismus aus. Während im ersten Semester die Forschung und Recherche in den einzelnen Arbeitsgruppen zu einem gemeinsam in der Gruppe etwickelten Forschungskonzept verdichtet wird, geht es im folgenden Sommersemester um die praktische Umsetzung der Spaziergänge.

Die Aufgaben der Teilnehmenden bestehen im Wintersemester 2021 aus folgenden Aspekten:

(1) die Erstellung eines in der Gruppe erarbeiteten dekolonial und transdisziplinär orientierten Forschungskonzepts im Hinblick auf eine thematische Station/Route einer im FOSE organisierten Stadterkundung (bis Februar 2021)
(2) Das Führen eines individuellen Forschungstagebuchs (laufend, in beiden Semestern), das zu bestimmten Abgabezeitpunkten im Semester abgegeben werden kann und kritische Gedanken und Reflexionen zur Seminarlektüre, zur eigenen Forschungspraxis, zur eigenen Positionierung etc. enthalten soll
(3) Die aktive Teilnahme an den gemeinsamen Blockveranstaltungen und an den dort stattfindenden Übungen, Aktivitäten, Lektürediskussionen etc.

Dieses FOSE versteht sich insgesamt als ein möglicher Anstoss für de- bzw. postkoloniale Geschichts- und Gegenwartsarbeit im lokalen Machtraum Wien, die koloniale und anti-koloniale Bezugspunkte aufzeigt und dekolonisierende Praktiken stärkt. Dieser gemeinsame Prozess geht im besten Fall in Form des Engagements der Teilnehmenden auch über das FOSE hinaus.

Minimum requirements and assessment criteria

Die Mindestanforderungen für die erfolgreiche Teilnahme sind folgende:
· Das Ziel dieses ersten Semesters des auf zwei Semester angelegten Forschungsseminars ist die Erarbeitung eines Forschungskonzepts, das Erkenntnissinteresse, Forschungsstandpunkt, Forschungsfragen, theoretische Bezugspunkte und Überlegungen zur methodischen Umsetzung (sowohl analytisch als auch performativ) enthält bzw. bereits erste Rechercheergebnisse einbezieht. Das Forschungskonzept wird gemeinsam in einer Arberutsgruppe von 3-4 Personen erarbeitet und befasst sich mit einem konkreten Aspekt von Kolonialität im Machtraum Wiens. Die Teilnehmenden werden dabei von den LV-Anbieter*innen aktiv unterstützt und wenn erwünscht in Form von reflektierten Zwischenzielen angeleitet (40% der Gesamtleistung).
· Parallel dazu werden die Teilnehmenden während des Semesters ein regelmäßiges individuelles Forschungstagebuch führen, in dem sie ihre Gedanken, Forschungseindrücke, Argumente im Lauf des Forschungsprozesses festhalten. Dazu zählt explizit auch die schriftliche kritische Reflexion der Pflichtlektüre jeder Einheit, die mit dem konkreten Forschungsanliegen bzw. dem eigenen Forschungsprozess verknüpft werden soll. Aber auch Erfahrungen, Textlektüren und Wissen außerhalb der Lehrveranstaltungen soll einbezogen werden. Die Forschungstagebücher werden zu bestimmten Zeitpunkten im FOSE abgegeben bzw. hochgeladen (20% der Gesamtleistung).
· Schließlich ist auch die regelmäßige Anwesenheit, aktive Mitgestaltung und Diskussionsbereitschaft in den jeweiligen Einheiten des Forschungsseminars eine Mindestanforderung. Da wir nur wenige Einheiten zur Verfügung haben, müssen wir sehr schnell eine gemeinsame basale Ausgangsbasis für theoretische und methodische Debatten herstellen, dazu ist die gemeinsame Diskussion und die gemeinsame Erfahrung innerhalb der Einheiten außerordentlich wichtig. Grundsätzlich ist –bis auf extreme gut begründete Ausnahmefälle- zweimaliges Fehlen möglich (d.h. das Versäumen eines geblockten Termins, der aus zwei Einheiten besteht). (40% der Gesamtleistung)

Examination topics

Darüber hinaus wollen wir auch sichtbar und transparent machen, worauf es uns in didaktischer Hinsicht in diesem gemeinsamen Forschungsprozess besonders ankommt.
1. Das gemeinsame Herstellen einer respektvollen und wertschätzenden Arbeits- und Diskussionsatmosphäre. Das bedeutet nicht, dass wechselseitige Kritik nicht möglich ist, im Gegenteil, dabei handelt sich um die Grundlage der Möglichkeit einer anerkennenden produktiven Kritik und eines gemeinsamen Prozesses des Lernens voneinander. Diese Aspekte zählen jedenfalls auch zu den angestrebten Zielen des Forschungsseminars.
2. Ein ganz wichtiges Kriterium ist die eigenständige autonome Organisation in einer kreativ zusammenarbeitenden Gruppe, die kollektiv in der Lage ist, Recherche zu geeigneten Orten, sozialen Bewegungen, Narrativen, kollektiven Gedächtnisstrukturen bzw. –plätzen, Oral History-Feldern und Geschichtspolitiken, räumlich bzw. verkörperlichten Machtverhältnissen und Widerstandspraktiken bzw. Gegengeschichten durchzuführen und methodische Werkzeuge (Archivforschung, Sekundärdatenanalyse, Diskursanalyse, Interviews [problemzentriert, biographisch narrativ, Expert*inneninterviews, ero-epische Gespräche etc.], ethnographische Methoden, teilnehmende Beobachtung, audiovisuelle Methoden z.B. in Form einer Konversationsanalyse, eines Fokusgruppengesprächs etc.) innerhalb eines dekolonialen Forschungsparadigmas einzusetzen.
3. Ein drittes wichtiges Kriterium ist die kreative Erarbeitung einer wissenschaftlich-künstlerisch-politischen Intervention im Rahmen von Stationen einer gemeinsam organisierten dekolonialen Stadterkundung in der es darum geht, historische und soziale Machtverhältnisse und räumliche Machtstrukturen sichtbar zu machen, auf gegenwärtige Formen von Widerstand oder Gegenmacht hinzuweisen und alternative Narrative zu entwickeln (Gegengeschichten, multiple Geschichten, Durchbrechen einer single story). Alternativ bzw. parallel dazu kann sich eine Gruppe auch mit der Frage kritischer Kartographien befassen und daran arbeiten, die Recherche-Ergebnisse z.B. in digital-elektronischer Form sichtbar zu machen.

Reading list

4. URBANER RAUM/RAUMPRAKTIKENBenjamin, Walter (1991): Das Passagenwerk. Gesammelte Schriften Band V. Frankfurt a. M.Brenner, Neil (2003): State/Space. A Reader. OxfordDoderer, Yvonne P. (2013): Räume des Politischen. Dimensionen des Städtischen. MünsterHarvey, David (1973): Social Justice and the City. Athens, GaHarvey, David (1989): The Condition of Postmodernity. Cambridge, OxfordHarvey, David (2000): Spaces of Hope. Berkeley, Los AngelesHarvey, David (2013): Rebel Cities. LondonKaltmeier, Olaf/Burchardt, Hans Jürgen (2015): Urbane (T)räume. Städte zwischen Kultur, Kommerz und Konflikt. Baden-BadenLefebvre, Henri (2003): The Urban Revolution. MinneapolisLefebvre, Henri (2016): Das Recht auf Stadt. HamburgMacLeod, Gordon/Ward, Kevin (2002): Spaces of Utopia and Dystopia: Landscaping the Contemporary City. In: Geografiska Annaler B (84)3-4, 153-170Smith, Neil (2010): Uneven Development: Nature, Capital, And The Production Of Space. London5. WIEN POSTKOLONIAL/DEKOLONIALEditorial Group for Writing Insurgent Genealogies (2013): Utopia of alliances, conditions of impossibilities and the vocabulary of decoloniality. WienFeichtinger, Johannes/Prutsch, Ursula/Csáky, Moritz (2003): Habsburg postcolonial. Machtstrukturen und kollektives Gedächtnis. Innsbruck, WienCaceres, Imayana/Mesquita, Sunanda/Utikal, Sophie (2017): Anti*Colonial Fantasies. Decolonial Strategies. WienSauer, Walter (2012): Habsburg Colonial: Austria-Hungary's Role in European Overseas Expansion Reconsidered. In: Austrian Studies 20, 5-23Sauer, Walter (2014): Expeditionen ins afrikanische Österreich. Ein Reisekaleidoskop. WienSteiner, Stefan (2014). Rückkehr unerwünscht. Deportationen in der Habsburger Monarchie der Frühen Neuzeit und ihr europäischer Kontext. WienUnterweger, Claudia (2016): Talking Back: Strategien Schwarzer österreichischer Geschichtsschreibung. Wien6. KOLONIALISMUS/RASSISMUS/ANTISEMITISMUSGerwarth, Robert/Malinowski, Stephan (2009): Hannah Arendt’s Ghosts: Reflections on the Disputable Path from Windhoek to Auschwitz. In: Central European History 42, 279-300Kühne, Thomas (2013): Colonialism and the Holocaust: continuities, causations, and complexities. In: Journal of Genocide Research 15(3), 339-362Messerschmidt, Astrid (2008): Postkoloniale Erinnerungsprozesse in einer postnationalsozialistischen Gesellschaft – vom Umgang mit Rassismus und Antisemitismus. In: PERIPHERIE 109, 42-60Zimmerer, Jürgen (2005): The birth of the Ostland out of the spirit of colonialism: a postcolonial perspective on the Nazi policy of conquest and extermination. In: Patterns of Prejudice 39 (2), 197-219Zimmerer, Jürgen (2009): Nationalsozialismus postkolonial. Plädoyer zur Globalisierung der deutschen Gewaltgeschichte. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 57(6), 539-548For further literature see the German version

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Last modified: Fr 12.05.2023 00:20